Sensation: Rom stoppt Trier

Die Anfang Oktober vom Bischof verfügte erste Phase der Umstrukturierung des Bistums Trier ab dem 01.01.2020 wurde vorerst durch Anordnung aus Rom gestoppt.

Die römische Kongregation für den Klerus hat am 21.11.2019 ein Schreiben an den Bischof von Trier, Dr. Stephan Ackermann, gerichtet. Darin erklärt sie ihre Zuständigkeit für eine hierarchische Beschwerde einer Priestergemeinschaft im Bistum Trier gegen ein Anfang Oktober im Kirchlichen Amtsblatt für das Bistum Trier verkündetes Gesetz zur diözesanen Neuordnung. Darüber hinaus teilt das Schreiben mit, dass der Päpstliche Rat für die Gesetztestexte den Antrag „einiger Gläubigen aus dem  Bistum Trier (erhalten hat), die Übereinstimmung der genannten teilkirchlichen Normen mit den gesamtkirchlichen Gesetzen zu prüfen“.

„In Anbetracht der Tatsache, dass die diözesanen Bestimmungen ab dem 1. Januar 2020 in Kraft treten bzw. umgesetzt werden sollen, und der Antrag der Gläubigen legitim ist“, hat der päpstliche Rat die Kongregation gebeten, „den Vollzug des Gesetzes auszusetzen, um die Durchsicht mit der geschuldeten Sorgfalt durchführen zu können“.

Zugleich wird der Bischof gebeten, „zum Antrag der erwähnten Beschwerdeführer Stellung zu nehmen“.

Das Schreiben begründet die Aussetzung des Gesetzesvollzugs mit zwei weiteren kirchen­rechtlichen relevanten Sachverhalten: Erstens hat die geplante Reform erhebliche Konsequenzen für das kirchliche Leben. Das stellt einen schwerwiegenden Grund dafür dar, die Reform bis nach Prüfung des Sachverhaltes ruhen zu lassen. Zweitens ist mit der Aussetzung des Gesetzesvollzugs das Heil der Seelen im Bistum Trier nicht gefährdet.

Was ist eine hierarchische Beschwerde?

Eine hierarchische Beschwerde ist eine im Kirchenrecht vorgesehene Beschwerde gegen ein Verwaltungsdekret beim „hierarchisch Oberen“, der nächsthöheren Instanz. Da der Bischof von Trier das Gesetz erlassen hat, entspricht das Vorgehen der Priestergemeinschaft dem „ordentlichen“ Beschwerdeweg. Das stellt das Schreiben der „Kongregation für den Klerus“ explizit fest.

Was bedeutet Aussetzung des Vollzugs?

Die Aussetzung des Gesetzesvollzugs dient dem Suchen nach einer friedlichen Lösung. Sie ermöglicht, dass die Anträge und der Gesetzestext in Ruhe geprüft werden können. Das Gesetz ruht, es ist nicht ungültig, darf aber auch nicht angewendet werden. Darum darf auch nichts umgesetzt werden, was nicht durch ein anderes Gesetz möglich ist und ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann. Streit soll vermieden werden.

GRUNDLAGEN

Die vom Bistum Trier angestrebte Neuordnung beruht, so sagt der Bischof, auf der Bistums-Synode 2013-2016, welche das Bistum ausführlich im Internet dokumentiert hat. Insbesondere das Abschussdokument mit dem Titel „heraus gerufen. Schritte in die Zukunft wagen.“ enthalte laut Bischof diejenigen Forderungen, die in dem nachfolgenden Umsetzungsprozess nun zu verwirklichen seien.

Genau das, so sagen die Beschwerdeführer, sei aber nicht wahr. Die jetzt erlassenen Dekrete seien auf keinen Fall direkt aus der Synode ableitbar. Eine genauere Beurteilung beider Standpunkte setzt umfassende Arbeit voraus, deren Darstellung den Umfang dieses Beitrages sprengen würde:

  • eine Betrachtung des gesamten Beratungsprogramms der Synode
  • etc.

HINTERGRUND

Das Bistum Trier besteht derzeit (noch) aus der großen Zahl von 887 Pfarreien, Pfarrvikarien und Vikarien, welche in 32 Dekanate zusammengefasst sind (Karte).

Die Dekanate üben pfarrübergreifende Funktionen aus. Für bestimmte Aufgaben in der Seelsorge und für manche Verwaltungsvorgänge arbeiten die Pfarreien sowie die Seelsorgerinnen und Seelsorger des Dekanats zusammen; einige Aufgaben (z. B. die Arbeit mit Jugendlichen, mit Erzieherinnen…) sind bestimmten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das Dekanat insgesamt und Pfarreien-übergreifend übertragen. Der Dekanatsrat ist die Vertretung der Pfarrgemeinderäte (siehe unten) auf Dekanats-Ebene.

Das Bistum ist sehr kleinteilig und ländlich geprägt und besitzt nur drei relativ kleine Großstädte: Saarbrücken (181.000), Koblenz (114.000) und Trier (110.000). Es hat 1,3 Mio Katholiken unter 2,4 Mio Einwohnern (55,2%) auf einer Fläche von 12.870 km2. Von allen Diözesan- und Ordenspriestern (es sind zufällig ebenfalls derzeit 887) arbeiten nur 293 in der „territorialen Seelsorge“ in den Pfarreien, die übrigen in der Verwaltung und in der „kategorialen Seelsorge“ (Krankenhaus, Gefängnis, Hochschule, Polizei, Militär, …), so dass bei weitem nicht mehr alle Pfarreien über einen eigenen Pfarrer verfügen. Somit haben sich viele kirchen- und vermögensrechtlich weiterhin selbständige Gemeinden in den letzten Jahrzehnten freiwillig zu insgesamt 173 Pfarreigemeinschaften mit jeweils einem gemeinsamen Seelsorgeteam unter Leitung eines Pfarrers vereint.

In den Pfarrgemeinden am Ort lebt die Kirche, wie das Bistum schreibt, „als Gemeinschaft von Menschen, die sich zu Christus bekennen. Sie versammeln sich zum Gottesdienst, geben einander ihren Glauben weiter und bemühen sich um nachbarschaftliche Hilfe für einander und für die Armen in der Welt. Das gilt immer noch – obwohl ja viele davon sprechen, dass in einer mobilen Gesellschaft die geografische Nähe immer weniger wichtig sei…“.

Jeder Priester in der territorialen Seelsorge ist also durchschnittlich in 3 Pfarreien präsent und für 4.400 Gläubige zuständig. Jede Pfarrei hat im Durchschnitt 1.460 Mitglieder auf 14,5 km2 und jede Pfarreigemeinschaft rund 7.500 Mitglieder auf knapp 75 km2 verteilt auf ca. 5 Pfarreien.

Von den projektierten 35 „Pfarreien der Zukunft“ hätte jede im Durchschnitt 31.150 Mitglieder auf einer Fläche von etwa 368 km2. Zu jeder von ihnen gehörten 25 Kirchen. Die größte wäre Saarbrücken mit fast 100.000 Katholiken und 29 Kirchen. Die Trierer Pfarreien lägen damit weit an der Spitze in Deutschland. Bisher liegen die vier größten Pfarreien im Bistum Essen. Die größte davon ist St. Urbanus in Gelsenkirchen mit 34.000 Katholiken auf 54 km2 mit 11 Kirchen. – Für manche ein Horror.

Engagement vor Ort

In den Pfarreien arbeiten die Mitglieder ehrenamtlich in Verwaltungsräten in Fragen des Haushalts, der Vermögensverwaltung, der Beschäftigung von Personal und des Unterhalts der Gebäude. Der Verwaltungsrat repräsentiert seine Pfarrei im staatsrechtlichen Sinne als „Kirchengemeinde“ im Sinne einer Körperschaft öffentlichen Rechts. Seine Arbeit wird durch das sog. Kirchenvermögens­verwaltungsgesetzt (KVVG) geregelt, welches den Vorschriften entsprechender Landesgesetze entsprechen muss und mit den Landesregierungen (Kultusministerium) abzustimmen ist. Mehrere Kirchengemeinden im staatlichen Sinne (=Pfarreien im kirchlichen Sinne) können sich zu einem Kirchengemeindeverband, der ebenfalls eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, vereinen und Mitglieder in die Verbandsvertretung entsenden, welche dann den gemeinsamen Haushalt aufstellt.

In den sog. „pastoralen“ Fragen arbeiten die Laien in Pfarrgemeinderäten mit. Die Pfarrgemeinderäte entsenden Delegierte in den Pfarreirat ihrer Pfarreigemeinschaften.

Die Gesamtanzahl der in den sog. kirchlichen Räten tätigen Menschen, sowie die Gesamtanzahl der weiteren Mitglieder in Vereinen und Verbänden (z.B. Chöre, Caritas, Jugendverbände, Pfadfinder, Messdiener etc.) ist statistisch nicht dokumentiert. Die Vielzahl der katholischen Verbände im Bistum beweist jedoch eine sehr stark entwickelte Pluralität.

Kurze Geschichte

Das Bistum Trier ist das weitaus älteste Bistum auf deutschem Boden, dessen Anfänge bis in das spätrömische Reich zurück gehen. Es hat eine gewaltige Tradition (seit 1198) als eines von den Kurfürstentümern (welche den Deutschen König wählten) im ehemaligen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, welches bis 1803 existierte. Im Gefolge der französischen Revolution wurde das damalige Erzbistum von Napoleons Truppen besetzt, verlor seine weltliche Bedeutung und wurde 1821 als „einfaches“ Bistum in der Erzdiözese Köln neu errichtet. Der Titel des Fürst(erz)bischofs wurde jedoch erst 1951 durch Papst Leo XII. abgeschafft. Unter den folgenden Links finden sich weitere statistische Daten und weitere geschichtliche Informationen.

Strukturreform

Das Bistum plant, in zwei Stufen ab dem 01.01.2020 alle Pfarreien und Pfarreigemeinschaften aufzulösen und in 35 neuen „Pfarreien der Zukunft“ wieder neu zu errichten. Die mittlere Ebene der Dekanate soll ebenfalls aufgelöst werden. Damit einher geht die Schaffung von vollständig neuen Gremien in den Pfarreien und eine völlige vermögensrechtliche Neuordnung auf die 35 neuen Pfarreien.

In dem umstrittenen Gesetz zur Umsetzung der Ergebnisse der Diözesansynode 2013 – 2016 wurden in 14 umfangreichen Artikeln mit Wirkung vom 01.01.2020  die sehr einschneidenden organisatorischen Veränderungen angeordnet, welche die ersten 15 neuen Pfarreien der Zukunft errichten. Unter dem folgenden Link finden Sie eine Liste mit der räumlichen Umschreibung der aufzuhebenden und neu zu errichtenden Pfarreien.

Von der Neuordnung sind die 293 Priester im „territorialen Dienst“, dazu 132 Diakone, 232 Gemeinde- und 90 Pastoralreferent/innen betroffen. Nur 35 der Priester würden zur Leitung einer „Pfarrei der Zukunft“ berufen. Die übrigen Priester würden für eine Übergangszeit an ihren derzeitigen Wirkungsstätten bleiben, würden jedoch nach drei Jahren angehalten, sich auf andere Aufgaben zu bewerben. Jedem künftigen Pfarrer würden zwei vom Bischof ernannte haupt- und zwei von den Pfarrgremien delegierte ehrenamtliche weitere Leitungspersonen zugeordnet sein. Die jetzt noch in 10 sog. „Rendanturen“ organisierten Buchhaltungen und Vermögensverwaltungen würden aufgelöst und ebenfalls auf die neuen Pfarreien übergehen.

Neben dem fünfköpfigen Leitungsteam unter Vorsitz des Pfarrers soll eine „Pfarrei der Zukunft“ von einem „Rat der Pfarrei“ geleitet werden, der aus zwei sog. Kammern besteht, einer pastoralen Kammer und einer Vermögenskammer, welche im Prinzip die bisher bekannten örtlichen Gremien ersetzen sollen. Außerdem soll es noch ein bisher nicht bekanntes Gremium, die Synodalversammlung, geben. Die Synodalversammlung wählt jeweils die Hälfte der zu wählenden Mitglieder anderen Kammern. Die Synodalversammlung setzt sich ihrerseits zusammen aus den Delegierten der „Orte von Kirche„, die vertreten sein möchten, den Mitgliedern des Rates der Pfarrei, den pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Delegierten aus den Mitarbeitervertretungen und Verwaltungsteams. „Orte von Kirche“ sind im weitesten Sinne Gruppen und Verbände, welche sich kirchlich verstehen, das Leitbild der Pfarrei vertreten und sich ehrenamtlich engagieren wollen.

Die Vermögenskammer hat die staatsrechtlichen Befugnisse zur Vermögensverwaltung im Sinne des Kirchenvermögensverwaltungsgesetztes (KVVG). Sie besteht aus 10 gewählten Mitgliedern. Die Vermögenskammer wird gemeinsam mit der Pastoralkammer gewählt. Die zu wählenden Mitglieder werden zu 50 % von den Wahlberechtigten der Pfarrei (Liste Urwahl) und anschließend zu 50 % von der Synodalversammlung nach näherer Maßgabe einer Wahlordnung unmittelbar und geheim gewählt.

Die Pastoralkammer besteht aus den Mitgliedern des Leitungsteams sowie 20 gewählten und bis zu 2 berufenen Mitgliedern.

Alle Details finden sich in dem oben genannten Umsetzungsgesetz.

Es ist bemerkenswert, dass sich nur 10 Mitglieder der Vermögenskammer, von denen nur 5 durch eine Urwahl gewählt werden, um durchschnittlich 25 Kirchen kümmern sollen. Das deutet auf eine hohe Arbeitsbelastung hin. Außerdem ist die Logik, welches Gremium welche Mitglieder wohin delegiert, aus dem Gesetzt nicht besonders klar und deutlich zu entnehmen. Kritiker sprechen von chaotischen und widersprüchlichen Bestimmungen. Das Gesetz spricht auch nur von mindestens zwei Sitzungen jedes Gremiums pro Jahr, was ebenfalls als völlig unzureichend angesehen wird angesichts der riesigen Größe einer „Pfarrei der Zukunft“.

Pro und Kontra

Im Vorfeld der Neuordnung gab es ein formales Anhörungsverfahren. Als dessen Ergebnis ergab sich jedoch eine sehr gespaltene Reaktion: 12 Prozent „sehr positiv“, 20 Prozent „positiv“, 14 Prozent „eher negativ“, 23 Prozent „sehr negativ“ und 31 Prozent „neutral“. So bewerten die befragten Pfarrgemeinde-, Pfarreien-, Verwaltungs-, Kirchengemeinde- und Dekanatsräte sowie Pfarrer und Dechanten die Pläne zur Umsetzung der Bistumssynode. Weitere Informationen finden Sie hier. Die Anhörung und die Auswertung wurde übrigens von einem vom Bistum ausgewählten neutralen Institut begleitet und die Anzahl der Rückmeldungen lag bei fast 100%.

Nach üblichen Regeln gilt ein Antrag in einem beschließenden Gremium als angenommen, wenn er mindestens die Hälfte der abgegebenen Stimmen erhält, wobei Enthaltungen je nach Geschäftsordnung entweder gar nicht gezählt oder als Nein-Stimmen aufgefasst werden. In beiden Fällen wäre die Neuordnung abgelehnt.

Bei objektiver Betrachtung der Situation, so wundern sich die Kritiker, müssten  Bischof und Generalvikar ihren Ansatz doch wohl als gescheitert ansehen. Statt dessen lassen sie weiterhin die Meinung verlauten: Wir liegen richtig mit der Umsetzung der Synode.

Meinungsverschiedenheiten

Als aktive Gegner der Neuordnung hat die Initiative Kirchengemeinde vor Ort im Bistum Trier den Widerstand organisiert und hat laut eigenen Angaben über ein Drittel der Kirchengemeinden und Tausende von Menschen auf ihrer Seite. Sie hat auch die Beschwerde beim Rat für die Gesetzestexte eingelegt. Auf ihrer Website finden sich Analysen über die Ungereimtheiten und Widersprüche in den bischöflichen Dekreten.

Die Argumente der Seelsorger werden von der Priestergemeinschaft Unio Apostolica Trier vorgetragen.

Wird fortgesetzt…


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