Bistumsreform versus „Kerngeschäft“ der Kirche

Wie oft singen wir im Gottesdienst „Sucht neue Worte, das Wort zu verkünden, neue Gedanken, es auszudenken“? Das Thema klingt in mehreren Liedern unseres „Gotteslob“ durch.

Keine halben Sachen

Es reicht nicht aus, die bedrohten Kirchen unseres Bistums zu erhalten und acht­samer mit ihnen umzugehen. Es reicht nicht aus, leere Räume für wenige Tage im Jahr mit Leben zu füllen. Wir müssen die Gemeinden vor Ort wieder stärken, ihren Mut und ihre Substanz fördern. Wir müssen unsere Kirchen nicht nur „entwickeln“, was verdächtig nach „abwickeln“ klingt, sondern wir müssen sie erneuern.

Was nützt es, wenn wir die Finanzen des Bistums und unserer Pfarreien neu ordnen, wenn auf Dauer niemand mehr da sein wird, dem sie dienen?

Es stellt sich die wirklich drängende Frage, wie wir das Leben in unseren Gemeinden neuer und frischer machen können. Wie können wir mit dem, was da „abgeht“ auch unsere Jugend ansprechen und bei uns halten?

Damit von Grund auf wieder „neue Triebe sprießen“ können, sollte sich eine neue Theologie mit den neuen Gemeinden verbünden. Und es wäre ungeheuer schön, wenn die Bischöfe das nicht ablehnend aus der Distanz erleben würden, sondern sie sich umgekehrt an die Spitze der Bewegung setzten.

Die Anzahl kritischer und engagierter Bücher von aktiven Laien, von Pädagogen, Journalisten, von Theologen, ja sogar von bewegten Seelsorgern wächst und wächst. Aber was davon kommt in der Ausbildung unseres Nachwuchses an? Was lernen angehende Gemeindereferent/inn/en? Was hören wir als Gemeinde in sonntäglichen Predigten? – Das Wenigste!

Verkündigung der Frohbotschaft

Leider hat die Amtskirche die Entwicklung der Theologie und der letzten 20 – 30 Jahre nicht adaptiert. Mehr und mehr Theologieprofessoren sprechen dieses offen aus. So zum Beispiel Franz-Josef Nocke, Dorothea Sattler, Daniel Bogner und andere. Vielfach nehmen Priester und Bischöfe, so sagen sie, die Erkenntnisse der Theologie nicht einmal mehr zur Kenntnis.

„Die Amtskirche stellt sich nicht der Herausforderung, Gott neu zu denken“, lautet die Kritik von Norbert Scholl[1]. „Eine intellektuell anspruchsvolle Diskussion über die Gottes­frage findet in der Kirche kaum noch statt“, so der Fundamentaltheologe Magnus Striet[2]. Nach der Theologin Doris Nauer[3] gibt es „Erkenntnisse, die bereits seit Jahrzehnten innerhalb der Theologie bekannt sind, die aber Gläubigen nicht nur nicht weitervermittelt, sondern teilweise sogar vorenthalten werden, um gewohnte Glaubensvorstellungen und erwartete liturgische Abläufe sicherzustellen.“

Der Biologe, Philosoph und Jesuit Christian Kummer[4] unternimmt deshalb aus­gehend von Gedanken von Hans-Joachim Höhn[5] zur Gott-Welt-Beziehung und der dia­lo­gi­schen Wirk­lich­keits­erfah­rung nach Richard Schaeffler

den Versuch einer „Grundreinigung der Theologie“

wie es Gotthard Fuchs[4] ausdrückt.

Ein anderer Jesuit, der Belgier Roger Lenears[6], plädiert ebenfalls für die Not­wendigkeit eines neuen Gottesbildes, für einen Abschied von einem Gottesbild mit „anthropomorphen Perversionen“ (Kummer, 2019, S. 5).

Aus der Auseinandersetzung mit der natur­wissen­schaft­lichen Moderne ergebenen sich bei beiden Autoren Veränderungen im Verständnis und der Bedeutung von

    • Offenbarung
    • Bibel
    • persönlichem (Bitt-)Gebet
    • Liturgie/Eucharistie und
    • Sakrament.

Nach Lenears ist die Kirche

„in der Sprache und Vorstellungswelt des Mittelalters steckengeblieben“.

Die Botschaft des Glaubens muss also dringend neu übersetzt werden, und zwar in die Denkweise und Sprache des modernen Menschen.[6]


QUELLEN

Klicken Sie die Links bitte an…

[1] Norbert Scholl: Gott neu denken, in: Christ in der Gegenwart, 12.4.2015.

[2] Zitat aus: Amelie Tautor: Zu kirchlich? Zu zaghaft? Christ in der Gegenwart, 29.4.2018. Vgl. auch Magnus Striet: Gottes Schweigen, 2. A. Ostfildern, 2017, S. 18 + 19.

[3] Doris Nauer: Gott – Woran glauben Christen? Stuttgart 2017, S. 10.

[4] Christian Kummer: An Gott als Person glauben? Eine Spurensuche. Mainz 2019. Gotthard Fuchs: Rezension in Christ in der Gegenwart, 21.3.2020

[5] Hans-Joachim Höhn: Fremde Heimat Kirche. Glauben in der Welt von heute. Freiburg 2012.

Ders.: Gott – Offenbarung – Heilswege. Würzburg 2011.u

Ders.: Gottes Wort – Gottes Zeichen. Würzburg 2020.

[6] Roger Lenears: Der Traum des Königs Nebukadnezar. Kleve 2010.

Buchbesprechung: https://glaubensreform.de/pages/topics/dr.-christian-greiff.php.

Ders.: Der Traum des Königs Nebukadnezar. Vortrag Wien 2008.
Ders.: Gläubiger Abschied von der Religion. Kleve 2012.

 

ZEITSCHRIFT

Christ in der Gegenwart, Herder Verlag, auch als NEWSLETTER.

2 Antworten auf „Bistumsreform versus „Kerngeschäft“ der Kirche“

  1. Die sogenannte “Instruktion” der Kongregation für den Klerus, datiert 29. Juni 2020, erfreut sich quantitativ bedeutender Stellungnahmen, meist ablehnend. Selten, dass im geradezu vorauseilenden Gehorsam vorbildlich lehrgetreu ein Bischof öffentlich sagt, letztlich müsse immer einer “den Hut aufhaben”, und das sei der Pfarrer. Es fanden sich auch sehr kluge Bemerkungen eines fortgeschrittenen Oberprimaners, der feststellte, dass Jesus zu Aposteln, folglich auch Priestern nur bestimmt hat, wer das “y-Chromosom” hat. Ja, das haben wir in der Untersekunda an einem Humanistischen Gymnasium in Biologie 1966/67 auch so gelernt. Der allwissende Jesus wird das gewusst haben.

    Man weiß nicht, ob die Kommentateure die Instruktion überhaupt (komplett) gelesen haben. Ich bemerke dazu:

    a) Im Bistum Essen erfreuen wir uns des als Landesrecht weiterhin geltenden Gesetzes über das Vermögen katholischer Kirchengemeinden von 1924. Da ist gesetzlich der Pfarrer Mitglied des Kirchenvorstandes, und zwar auch gleich Vorsitzender. Nun habe ich mich bis 1983 recht intensiv mit der Funktion eines (Aufsichtsrats-) “Vorsitzenden” befasst und seither gezieltes Interesse daran. Hierarchische Leitungs- oder Bestimmungsfunktion erwächst daraus nicht.

    b) Mag klarstellen, wer katholisch sein und bleiben will. Das II. Vatikanische Konzil hat es in Lumen gentium Nr. 19-22 klar und für ewig endgültig dargelegt, dass die Kirche hierarchisch strukturiert ist. Dies betrifft Eucharistiefeier, Lehre zu Glaubens- und Sittenfragen.

    c) Nahtstellen zu dem vorzugsweise Laien aufgetragenen Weltdienst ragen erkennbar in die Kirche hinein, die ja societas der nun einmal in der Welt lebenden Menschen ist. Ganz neu ist das nicht – unter Pius IX im 19. Jahrhundert amtierte als Ministerpräsident ein Laie, der Kardinal, aber nicht geweihter Priester oder Diakon war. Dieser krönte gar den Nachfolger Leo XIII. Die Benediktsregel – deren Auswertung jüngst im Heft den Stiepeler Zisterziensern beeindruckend gelungen ist – kennt als den, der “den Hut aufhat”, den Abt. Er kann sich einen Priester aus den Mönchen weihen lassen, quasi wie einen Hund “halten”. Die Instruktion lässt nicht einmal im gedanklichen Ansatz erkennen, was das für die auch in Pfarreien strukturierte Kirche besagen könnte. Ich verkenne nicht, dass Benedikt eine Gemeinschaft vor Augen hatte, die mehr als “allgemeine Pfarrlaien” sich besonders zu einer Gemeinschaft verpflichtet haben. In Essen hatten – wie der Kreuzgang am Dom beeindruckend zeigt – über 900 Jahre lang Damen “den Hut auf”.

    d) Hutträgern sollte man nicht allzu viel aufbürden. Im ekklesialen Verwaltungstum ist es wie in Staat und großen Unternehmen: Wenn irgendetwas schief läuft, so soll die (gendergerecht!) “Person” an der Spitze alles zu verantworten haben. Um faktenorientiert konkret zu werden: Jüngst wurde mir berichtet und belegt ein Vorgang, bei dem ein Pfarrer – weil diese ja regelmäßig für die Pfarrei “zeichnen” – zu einer Spende in belegpflichtiger Höhe per Überweisung aus Februar 2019 eine mit schönem Siegel versehene Bescheinigung im Juli unterschrieb, ähem: im Juli 2020 mit Angabe des Spendedatums “Februar 2020”. Man sollte, auch in Rom, bedenken die Segnungen von Delegation, auch zu Zeichnungsbefugnissen und Verwaltung. Das erübrigt, “blind” zu unterschreiben.

    e) “Ohne Moos nix los.” Klar, einen Geldhahn kann man sperren. Und damit ungewünschte Aktivität torpedieren. Ist nach dem II. Vat. hierarchisch der Bischof mit seinem Pfarrer in der Hirtenseelsorge definitiv verantwortlich, so darf man das dafür Notwendige an Mitteln nicht anderer noch so “demokratischer” Entscheidung unterwerfen. Zu meiden ist freilich auch das Gehabe früherer Vereinsvorstände: “Geld hat da zu sein.” Nein – es ist immer knapp.

    f) Gerade bei der “Verkündigung des Evangeliums” hebt die Instruktion in Nr. 24 beeindruckend hervor, dass sie “durch Männer und Frauen” geschieht. Das kann nur bestätigen, wer etwa zu Stiepel selbst nach über 20 Jahren noch beeindruckt sich erinnert an Äbtissin Assumpta Schenkl oder aus jüngerer Zeit an Dr. Freifrau von Heereman. Hört man solche, so weiß man genau, was für Segen die Absenz von y-Chromosomen politisierender Bischöfe oder Generalvikare haben kann.

    g) Anscheinend wegen defizitärer Kompetenz der Kongregation oder der selbstgestellten Aufgabe offenbart sich das offensichtlichste gedankliche Loch in der Instruktion: Sie nimmt – konsequent und insoweit überzeugend – die herkömmliche Pfarrei als territoriale Gliederung in den Blick (bes. Nr. 45). Es wärmt ja das Herz des gesellschaftsrechtlich-unternehmensbezogen ausgebildeten und tätig gewesenen Juristen inniglich und unendlich, so schön feinziseliert in Nr. 48 die Varianten Inkorporation, “echte Fusion”, Aufhebung, “Teilung” zu lesen.

    Die wirklich anstehende Aufgabe hat die Kongregation übrigens selbst gesehen und genannt, siehe Nr. 8 – 10, löst dazu aber nichts, sagt dazu nichts, schlägt dazu nichts vor. “Merkmale der gegenwärtigen Welt”, “Zunahme der Mobilität und der digitalen Kultur”, Veränderung des “Raumverständnisses” , Sprache und Kultur “besonders der jungen Generationen”, Denkweise zum “gesellschaftlichen Leben” , “problemlose Mobilität und Schnelligkeit der Kommunikation”. Wie ist das alles missionarisch zu bewältigen? Als sachkundige Berater empfehle ich der Kongregation viele junge Leute aus meiner Pfarrei St. Gertrud Wattenscheid, die sind ”ideenreich”. Ältere aber auch. Wir wollen ja nicht ausgrenzen.”

    Ich werde mit großem Interesse verfolgen, wie sich ab 2020 Corona und wirtschaftliche und steuerliche Entwicklung im kirchlichen Finanzwesen ausmünzen. Ich nehme an, da beschleunigt sich manches.

  2. Was da an angeblich neutheologischer Auffassung neu sein soll, ist im Text Sülze des Nichtssagenden. Greifbar wären zB a) Finanzen b) klassischer Religionsunterricht, klares Lernen c) lateinscher Ritus formae ordinariae d) Wallfahrten e) Rosenkranzgebet (geht auch ohne Priester).

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