Herz-Jesu Schließung (36)

FRAG NICHT MICH, FRAG DAS PFERD!

"Ein Reiter, hoch zu Ross, jagt im Galopp über die Landstraße. Ein Bauer auf dem Feld ruft: He, Reiter, wohin? Der wendet seinen Kopf über die Schulter und schreit zurück: Frag nicht mich, frag das Pferd.“

Seit dem 13. August vorigen Jahres galoppiert unsere Pfarrei auf die Schließung der Herz Jesu Kirche am kommenden Samstagabend zu. Die meisten, die das beobachten, finden das gespenstisch. Die Pfarrei war nicht in der Lage, diesen Vorgang offen und ehrlich zu gestalten. Man griff zum wiederholten Male, wie im Votum, zu Geheimhaltung und Täuschung. 

Ach, ihr habt ein Jubiläum? Wunderschön, feiert es und zeigt Eure Verbundenheit. Wie, ihr wollt euren Standort erhalten und hier weiter Gottesdienste feiern? Geht leider nicht; wir müssen zum Wohle der Pfarrei leider die gesamte Liegenschaft verkaufen. Wie, ihr wollt eure kirchliche Heimat nicht verlieren? Unsinn, ihr habt doch jetzt eine viel größere Heimat in der gesamten Pfarrei. Wie, ihr meint, man könne doch eine 4.000 Menschen gegebene Zusage nicht einfach wegwischen? Doch, kann man, seht ihr ja, außerdem „schmerzt“ es uns.


Die Pfarrei galoppiert nicht erst seit letztem Sommer, sondern bereits seit fünf Jahren, als das Votum 2018 im Januar veröffentlicht wurde. Vorangegangen waren seit November verschiedene „Lesungen“ des Textentwurfs hinter verschlossenen Türen. Ände­rungs­anträge waren möglich, wurden auch in größerer Zahl gestellt, aber die normalen Mitglieder der Pfarrei blieben davon ausgeschlossen, selbst auf dem Wege über ihre Vertreter tätig zu werden. Es gab nicht einmal Info-Veranstaltungen im Vorfeld, wo das Wort Schließung auch nur erwähnt wurde.

Der Deutsche Bundestag und die Landtage beraten öffentlich. Wenn es zu Gesetzes­lesungen kommt, sind deren Texte öffentlich bekannt und werden in der Presse diskutiert. Soviel zu der häufig von Vertretern der Politik gestellten Frage, ob das Votum demo­kratisch beschlossen wurde. Nein - wurde es nicht

Bis zum heutigen Tage bin ich tief beschämt, als damaliges Mitglied im Pfarrgemeinderat (PGR) Teil des Ganzen gewesen zu sein.

Das Pferd lief weiter. Im Februar und März kam es in den drei Gemeinden der Pfarrei zu Gemeindeversammlungen. Kirchenvorstände sicherten den fünf Standorten ihren Bestand zu, bezeichneten das Votum als „Leitplanken“, innerhalb deren ganz neue kreative Lösungen möglich wären, ja der KV sei jederzeit zu Änderungen seiner Beschlüsse in der Lage. Das Votum sei nicht „in Stein gemeißelt“.

Der Rest des Jahres war zunächst einmal von einer bleiernen Schwere geprägt, aber es regten sich auch schon im Verborgenen erste Ideen. Die ersten kamen vermutlich aus St. Elisabeth, welche gegen Ostern 2019 ein ambitioniertes Konzept vorlegten, nachdem Studenten der Bergischen Uni Wuppertal gesponsert von der Stadt MH ihrerseits eine Semesterarbeit angefertigt hatten. 

Wussten Sie schon, dass Ich-steh-auf-Herz-Jesu bereits im November 2019 an die Pfarrei geschrieben hat? Darin bemühen wir uns, eine Vision zu entwickeln, wie sich Herz Jesu „kleiner setzen“ kann. Leitidee war der Verkauf des alten Gemeindeheims und der Aufbau neuer multifunktionaler Räume um die Kirche herum unter Einbeziehung des Kinder­gartens. Zentraler Punkt: die Kirche kann erhalten bleiben.

Dann kam COVID-19 alias CORONA. Das Pferd suchte sich ein Versteck, und ein Krisenstab in der Pfarrei hatte nun Wichtigeres zu tun. Ab 31.12.2019 gab es erste Gerüchte aus China und im März 2020 erklärte die WHO die weltweite Pandemie. Das öffentliche und das kirchliche Leben bewegt sich auf den Stillstand am Jahresende zu, während gespannt auf den Impfstoff gewartet wird. Im April 2021 verlässt unser Pferd die Quarantäne wieder, nachdem es die erste Impfung erhalten hat und trägt einen 15seitigen Zwischenbericht der Pfarrei zum Bischof. Im Bistum herrscht jedoch auch Homeoffice und die Antwort des Bischofs geht erst im Oktober ein. Über die wirtschaftliche Entwicklung findet man im Zwischenbericht verständlicherweise nichts, da die Dinge nicht vorangegangen sind. Im November 2021 freut sich das Pferd über die neugewählten PGR- und KV-Mitglieder. 

Erst im Februar 2022 hört das Pferd neue Nachrichten von der Steuerungsgruppe  die „ab 2022 regelmäßig aktuelle Kurzmeldungen rund um den PEP“ bekannt geben will, was allerdings nur bedingt umgesetzt wird. Die Gruppe prüft, „welche Entwick­lungs­möglich­keiten das Areal um die denkmalgeschützte Kirche Herz Jesu zusammen mit dem Grundstück, Pfarrhaus und KiTa bietet sowie das Grundstück mit dem heutigen Gemeinde- und Jugendheim“. Über Ergebnisse wird nichts bekannt, bis überraschend Ende September der Verkaufsplan für die gesamte „Liegenschaft“ bekannt wird. Außerdem soll der Kontakt der Steuerungsgruppe mit dem neugegründeten „Team Herz Jesu“ anstehen, um eine sog. „Projektgruppe“ ins Leben zu rufen, von der man später nichts mehr hört. Alle Informa­tionen, so diese Meldung vom Februar, sollen „auf der Seite unseres Entwicklungs­prozesses“ zu finden sein, aber dort steht nichts Weiteres.

Im April 2022 richtet unser Pferd seine Ohren steil auf und hört von der Steuerungsgruppe  dass die Leitungsgremien der Pfarrei (Kirchenvorstand, Pastoralteam und Pfarrgemeinderat) sich im Sommer zu einer Klausurtagung (treffen), um eine pastorale und finanzielle/wirtschaftliche Weiterentwicklung des beschlossenen PEP-Votums für unsere Pfarrei zu beraten. Aufgrund der zunehmend begrenzten Mittel und der herausfordernden Entwicklungen der letzten Jahre ist dies dringend notwendig.“ Wieder sollen alle Informationen „auf der Seite unseres Entwicklungsprozesses“ zu finden sein, aber dort steht wieder nichts. Insbesondere wird nicht berichtet, was denn die Prüfung des Areals ergeben hat, ob auch andere Vorschläge in der Betrachtung sind oder waren, sowie ob die Gemeinde der Klausur Anregungen oder Vorschläge mitgeben kann.

Bis zum Juni 2022 freut sich das Pferd, dass sich das pastorale Leben langsam wieder normalisiert und erfährt von der Steuerungsgruppe, dass Weihbischof Zimmermann zur Visitation da ist und sich intensiv mit den Verantwortlichen der Pfarrei austauscht, wenngleich nicht mit andern Gruppen der Pfarrei, geschweige denn mit Ich-steh-auf-Herz-Jesu. Außerdem berät die Steuerungsgruppe mit der „Projektgruppe“ die „aktuelle Situation und die Perspektiven des pastoralen Standortes“. Schön. Protokolle gibt es nicht. Wieder sollen alle Informationen „auf der Seite unseres Entwicklungsprozesses“ zu finden sein, aber dort steht wieder nichts. 

Die Monate April bis September sind jedoch auch für ein Pferd keine „guten“ Monate, in denen es sich konzentriert mit kirchlichen Fragen beschäftigen könnte. Der Krieg in der Ukraine bringt morgens und abends angstmachende Nachrichten ins Haus. Erst marschieren russische Panzer direkt auf Kiew zu und kehren erst wenige Kilometer vorher wieder um, dann werden unglaublich grausame Kriegsverbrechen bekannt, dann wird die Hafenstadt Mariupol grausam erobert, dann droht im Atomkraftwerk Saporischja eine nukleare Katastrophe, dann kann sich die Ukraine mit erfolgreichen Aktionen etwas Luft verschaffen. Und über allem droht der globale Hunger.

Am 13. August ergreift totale Unruhe die Weide. Sehr schlimme Worte machen die Runde: Haushaltsloch, Defizit, Kostenexplosion, Zahlungsunfähigkeit und andere. Panik scheint heraufzuziehen. Niemand in der Gemeinde, ausgenommen der innerste Kreis, wusste das. Die Klausurtagung. Dem Pferd ist es nicht vergönnt, die Zahlen einzusehen. Es hätte ohnehin nicht verstanden, wieso zweckgebundene Rücklagen eine Zahlungsunfähigkeit verursachen können – sie können es auch gar nicht, da kein Euro die Pfarrei verlässt. Ob alle Teilnehmer der Klausur diese Zusammenhänge verstehen? Aber es werden Vorschläge in Eile hervorgeholt, alte Vorschläge, das Votum.

Dann werden Beschlüsse gefasst. Das Pferd hört jetzt auf mitzudenken. Dinge nehmen automatisch ihren Lauf. Die Klausur ist vorbei. Alles muss geheim bleiben. Die Steuerungsgruppe schreibt in diesem Monat sicherheitshalber keinen Bericht.

Das Pferd galoppiert jetzt nur noch ohne nach rechts und links zu sehen, ohne auf besonnene oder kritische Worte zu hören. Es trägt die Pfarrei nach jenseits von Gut und Böse.

Braucht man so eine Pfarrei?

Schadet sie nicht dem Ansehen der kath. Kirche?

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