Das Bistum Essen arbeitet seit 2011 mit der Doppelten Kaufmännischen Buchführung und erstellt am Jahresende, wie andere Unternehmen, eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung. Sie werden von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer auf Ordnungsmäßigkeit geprüft.
Seine Pfarreien tun dieses übrigens NICHT, obwohl sie ebenfalls die technischen Mittel dazu hätten. Sie halten ihre finanzielle Situation weiterhin geheim.
Die Dokumente, die das Bistum veröffentlicht, heißen seit einer Zeit offiziell Finanzbericht, gefolgt von der jeweiligen Jahreszahl. Früher war die Bezeichnung Haushaltsbericht üblich, man hört auch oft noch Jahresbericht.
Schnellkurs Buchhaltung
Wenn Sie noch kein Experte in Buchhaltung sind und deshalb meinen, dass die Finanzberichte des Bistums für Sie unverständlich sind, dann besuchen Sie einfach unsere Seite Doppelte Buchhaltung und kommen dann hierher zurück. Es ist einfacher als Sie denken.
In der Bilanz finden Sie zum Beispiel, welches Vermögen das Bistum besitzt. Das Anlagevermögen (bebaute Grundstücke und Gebäude) ist wesentlich niedriger als im öffentlichen Bewusstsein immer wahrgenommen wird, weil historische Kirchen samt den Grundstücken, oft in sehr wertvoller Innenstadtlage, allesamt mit nur je einem oder nur wenigen Euro angesetzt sind, einfach weil diese unverkäuflich sind und es für sie keinen „Markt“ gibt. Dasselbe gilt für unersetzliche Kunstwerke und andere eigentlich als sehr wertvoll angesehene sakrale Gegenstände.
In der Ergebnisrechnung finden Sie unter anderem, wie hoch die Einnahmen an Kirchensteuern sind und wieviel davon an die Kirchengemeinden (Pfarreien) und die anderen Bereiche fließt. Das Jahresergebnis wird vom Bistum ausgewiesen und entspricht in der Erwartung der meisten Menschen dem Überschuss der Einnahmen über den Ausgaben. Im Bistum Essen ist das NICHT so: hier ist das Jahresergebnis gleich dem aus Veränderungen von Rücklagen und Rückstellungen resultierenden Ergebnis der Geschäftstätigkeit. Diese Problematik wird weiter unten noch beleuchtet.
Finanzberichte
Jahr | Bilanzsumme (Mio €) | Überschuss (Mio €) |
2011 | 274,4 | 5,3 |
2012 | 264,6 | 14,4 |
2013 | 247,1 | 21,9 |
2014 | 255,9 | 22,9 |
2015 | 249,7 | -10,1 |
2016 | 288,3 | 31,1 |
2017 | 314,9 | 17,0 |
2018 | 352,4 | 0,5 |
2019 | 372,2 | -17,8 |
2020 | 376,5 | -3,4 |
2021 | 427,8 | 49,7 |
2022 | 485,0 | 53,0 |
QUELLE: finanzen.bistum-essen.de.
Beschwerde
Finanzberichte sollten eigentlich relativ zeitnah zum Vorjahr erscheinen, idealerweise spätestens bis zur Jahresmitte, damit auch noch sinnvoll die Planung (das Budget) zu aktuellen Jahr formuliert werden können. Beinahe alle namhaften deutschen Großkonzerne (DAX 30) schaffen das auch. Unter den deutschen Bistümern gibt es einige, die es auch können, andere eben nicht. Der Gesetzgeber räumt jedoch einen Zeitraum von vollen zwölf Monaten ein.
Das Bistum Essen hat seinen Finanzbericht für das Jahr 2020 erst im Dezember 2021 veröffentlicht – absolut nicht akzeptabel! Essen ist dabei allerdings in guter Gesellschaft: Bamberg, Erfurt, Freiburg, Hamburg, Limburg, Mainz und sogar Münster waren in dem Jahr noch später dran.
Man fragt sich warum: was macht ihnen solche Probleme? Haben sie etwas zu verbergen? Aachen, Hildesheim, Osnabrück und andere haben es doch bis zur Jahresmitte geschafft (allenfalls bis nach den Sommerferien). Die katholische Kirche wird schon wissen, warum sie Transparenz gerade so nachlässig versteht. Mehr Glaubwürdigkeit verschafft sie sich dadurch nicht.
Überschuss oder Fehlbetrag?
Der Jahresbericht zum Rechnungsjahr 2020 (des Bistums) schreibt drei Male von einem Fehlbetrag, der auch als Verlust oder Defizit bezeichnet wird.
Seite 8:
… musste das Bistum Essen zum zweiten Mal in Folge einen Verlust ausweisen. Gemäß Jahresrechnung (s.S. 16) schließt das Berichtsjahr mit einem Fehlbetrag von rund –3,4 Mio. Euro.
Seite 14:
Aufgrund des Jahresfehlbetrags von –3,4 Mio. Euro verringert sich das Eigenkapital auf rund 188 Mio. Euro.
Seite 16:
Dennoch bleibt es auch im Rechnungsjahr 2020 bei einem Fehlbetrag. Dass dieser mit –3,4 Mio. Euro trotz sinkender Kirchensteuereinnahmen und zusätz- licher Belastungen vergleichsweise niedrig ausfällt, lässt sich durch Einmaleffekte in 2019 erklären.
Auf Seite 17 schließlich die Jahresrechnung selbst, welche die Erträge und Aufwendungen einander gegenüberstellt und in der letzten Zeile mit
ORDENTLICHES ERGEBNIS/JAHRESERGEBNIS –3.387 Tsd. Euro
endet. Das sind also die an den anderen Stellen angesprochenen -3,4 Mio. Euro.
Da die Presseabteilung – und nicht die Finanzabteilung – den Jahresbericht schreibt, wie es im Impressum mitgeteilt wird, ist es kein Wunder, dass auch die offizielle Pressemitteilung des Bistums am 6.12.2021 den Titel hat: Corona sorgt im Bistum Essen für Defizit von 3,4 Millionen Euro. Diese Mitteilung wird dann von allen anderen „katholischen Medien“ wie domradio.de oder Neues Ruhrwort aufgegriffen und weiter verbreitet. Wobei die meisten von ihnen auch nur den Text von der Nachrichtenagentur kna übernehmen. Keines der Medien liest in der Regel den ganzen Jahresbericht selbst oder analysiert ihn womöglich (keine Zeit!). Auch die kna tut das nicht. Im Text dieser Pressemitteilung heißt es nun:
… hat das Bistum Essen das Jahr 2020 mit einem finanziellen Defizit von 3,4 Millionen Euro abgeschlossen. Nach dem Vorjahresdefizit von fast 18 Millionen Euro musste die Diözese somit ein zweites Mal auf ihre Rücklagen zurückgreifen …
Diese Wortwahl muss jedoch beanstandet werden. Sie liegt näher an einer Desinformation als an einer objektiven Auskunft. Wir müssen uns fragen: wie kommt dieser Betrag zustande? Die Erläuterungen auf der Seite vorher benennen eine:
neue Rückstellung für Zahlungen zur Anerkennung des Leids von Miss- brauchsopfern (6,5 Mio. Euro).
In welcher Position der Rechnung stecken diese? Das wird nicht direkt gesagt, es bleibt aber aufgrund des Textes nur die Position „4.4 Sonstige ordentliche Aufwendungen“ in Höhe von -85.869 Tsd. Euro übrig. Das heißt, das Bistum verbucht die Rückstellung gewinnmindernd als eine ordentliche Aufwendung. Das ist durchaus konform zu den gesetzlichen Bestimmungen. Dadurch wird ein „Überschuss aus der ordentlichen Geschäftstätigkeit“ reduziert und aus der Besteuerung des Gewinns (in einem privaten Unternehmen) herausgenommen. Das Bistum hat jedoch das Privileg einer gemeinnützigen Körperschaft und sein Gewinn wird ohnehin nie besteuert. In einer GmbH oder AG wäre das die Körperschaftssteuer.
Aber reibt man sich nicht verwundert die Augen: seit Jahren schon folgt ein Gutachten auf das andere und erst jetzt entschließt sich das Bistum, Entschädigungszahlungen (Anerkennungsleistungen heißt das in der beschönigenden „Kirchensprache“) an die Opfer ins Auge zu fassen? Gut, das Vorhaben ist zwar ehrenwert, aber der Gesetzgeber erwartet von Rückstellungen normalerweise größere Zeitnähe.
Rückstellungen, so heißt es nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zu bilden. Sie sind gemäß wahrscheinlicher Inanspruchnahme des Unternehmens durch einen Dritten in der erwarteten Höhe bei vernünftiger Abwägung aller Umstände zu dotieren, möglicherweise auch ohne endgültige Klärung rechtlicher Zweifel. Ja – und das alles hätte dem Bistum auch schon wesentlich eher aufgehen müssen.
Haltet wir fest: diese eine Rückstellung verwandelt einen eigentlich vorhandenen Betriebsgewinn in einen bilanziellen Fehlbetrag. Es ist also keineswegs „Corona“, wie die Pressemitteilung bekundet. Und wie sagt dieselbe Mitteilung noch: „die Diözese (muss) somit ein zweites Mal auf ihre Rücklagen zurückgreifen“. Was heißt schon „zurückgreifen“? Musste das Bistum irgendwelche Vermögensgegenstände verkaufen? Nein! Es ist die Fortsetzung der Desinformation. Diese Rückstellung ist eine reine Umbuchung auf internen Konten. Durch sie verlässt kein einziger Euro die Kassen des Bistums. Erst wenn in Zukunft die Zahlungen an die Opfer tatsächlich stattfinden, was sehr zu wünschen wäre, würde eine wirkliche Ausgabe fällig, aber keinesfalls in diesem Berichtsjahr.
So wird Stimmung gemacht! Vermutungen, warum das wohl geschieht, überlassen wir an dieser Stelle unseren Leser/innen. Das Bistum bemüht sich in der Regel, Überschüsse auf einmalige „Sondereffekte“ zurückzuführen. Mir kommt es so vor, als ob dieser zweifelhafte Verlust in 2020 wirklich ein Sondereffekt ist.
Das Jahr 2021
Und der Finanzbericht 2021? – Mitte November 2022 war er noch nicht veröffentlicht. Am Nikolaustag, wie im Vorjahr, immer noch nicht.
Erst am 20. Dezember ist es soweit. Die Presseabteilung kündigt an:
Vor allem durch einmalige Sondereffekte hat das Bistum im vergangenen Jahr einen Überschuss von 49,7 Millionen Euro erzielt. Dieses Ergebnis hilft der…
Eine kritische Stimme könnte vermuten, es war dem Bistum „peinlich“, einen so hohen Überschuss melden zu müssen, und entsprechend lange hat man gebraucht, ihn zu erklären. Wir nehmen später noch Stellung dazu. Will man jedoch die ganze Pressemitteilung lesen, wird man durch einen Button „Zum Artikel“ gleich auf den ganzen Jahresbericht geführt. Andere Medien melden jedoch mit Bezug auf die kna gleichwohl Zusammenfassungen. Domradio: 16.01.2023 Bistum Essen erzielt nach Negativ-Jahren wieder Überschuss. Einmaleffekte schlagen durch. Neues Ruhrwort: Bistum Essen erzielt nach zwei Negativ-Jahren wieder Überschuss. Das Bistum Essen hat 2021 wieder einen finanziellen Überschuss erzielt – nach zwei negativen Jahresabschlüssen in Folge.
Das Jahr 2022
Einen Monat schneller als im Vorjahr, am 20. November 2023 veröffentlicht das Bistum seinen Finanzbericht für das Vorjahr. Immer noch zu beanstanden! Der Überschuss hat sich auf 53 Mio € erhöht. Lesen Sie weiter…
Stand: Dezember 2023
Jahresergebnis
in Arbeit… Siehe Wiki.