Welcher Ritus?

Papst Franziskus wagt sich mit einer neuen Entscheidung auf ein umkämpftes Gebiet. Soll die Messfeier in lateinischer Sprache noch zulässig sein oder nicht? 

Nicht mehr ohne Weiteres, sagt Franziskus. Die Ortsbischöfe sollen genauer hinsehen. Eine Erlaubnis soll davon abhängig sein, dass dadurch keine „Spaltung“ unter den Gläubigen entsteht und die Teilnehmer am alten Ritus ihre Teilnahme nicht als generelle Distanzierung von den Reformbestrebungen der Kirche ansehen.

Worum geht es genau?

Der Ablauf einer Messfeier lässt dem Priester nur wenige Freiheiten in der Auswahl von Gebeten und Texten, die sich im Großen und Ganzen nach dem gültigen Messbuch richten müssen. Nur in Jugendmessen, Kinder- und Familienmessen und Trauungen wird oft etwas „freier“ gestaltet. Die Gestaltung des Messbuches gehört zu den ureigensten Aufgaben des Papstes und der von ihm beauftragten römischen Kurie. Bis 1975 war das zuletzt 1962 überarbeitete Missale Romanum in Gebrauch.

Messbücher verbreiteten sich seit dem Mittelalter zunächst in Form von teils sehr wertvollen  Handschriften, oft in Auszügen, weil sich nicht jede Kirche eine teure Ausgabe leisten konnte. Wandernde Ordensmönche sorgten für die Ausbreitung des römischen Vorbilds. Mit dem  Buchdruck wurden die Ausgaben preiswerter, aber die Herausgeber brachten auch viele Varianten heraus. Damals waren viel mehr Privatmessen üblich, vor allem in Klöstern und Kirchen mit vielen Reliquien und Kapellen, auch für Intentionen von privaten Stiftern. Gegen solche Gebräuche wendete sich Luther scharf, der auch den Opfercharacter einer Messe ablehnte.

Um die Position der Kirche neu zu finden, trat das Konzil von Trient 1545-1563 zusammen. Es hatte eine schwierige Vorgeschichte und nahm einen sehr turbulenten Verlauf, was für viele andere Konzilien im Übrigen auch gilt.

Das sog. Tridentinum erlebte zwei deutsche Kaiser und Könige, Karl V. bis 1558, der noch 1530 von Clemens VII. in Bologna zum Kaiser gekrönt worden war, danach sein Bruder Ferdinand I. bis 1564. Es erlebte auch die fünf Päpste Paul III. 1534 bis 1549, Julius III. bis 1555, Marcellus II. 1555, Paul IV. bis 1559 und Pius IV. bis 1565.

Karl V. drang auf Reformen und suchte einen Ausgleich mit den Protestanten. Sein Verlangen nach einem Konzil wurde aber noch von Clemens VII. hartnäckig abgelent, der dies mit Rückendeckung aus Frankreich tat, dem religiöse Unruhe im Reich nützlich schien.

Paul III. wollte die protestantischen Lehren einfach verurteilen und dann entsprechend bekämpfen. Das war an sich nichts Neues für die Kirche, die sich in der Vergangenheit beinahe ständig mit „Irrlehren“ und charismatischen Predigern auseinandersetzen musste. Dass es dieses Mal anders verlaufen sollte, hat sie nicht vorausgesehen. Woran das lag, ist selbst heute nicht ganz klar. Das wollen wir an anderer Stelle betrachten.

Auf jeden Fall hätte Clemens VII., der seit 1523 amtierte, ohne Weiteres sofort mit Karl V. zusammenarbeiten können. Dann hätte er aber auch Karls Herrschaft in Oberitalien vorbehaltlos hinnehmen müssen, was er aus politischen Ambitionen nicht wollte. Statt dessen hoffte er, Mailand zu erwerben. Er klagte Karl sogar öffentlich an, einen „ungerechtfertigten Krieg gegen einen christlichen Mitbruder“ (Franz I. von Frankreich) zu führen. Dabei verschuldete er unter Anderem die Einnahme und Plünderung Roms (Sacco di Roma 1527). Auch 1530 nach dem Friedensschluss wäre noch tragbar für die Zusammenarbeit gewesen, aber Clemens sah diese Dimension einfach nicht. Statt dessen provozierte er Heinrich VIII. von England und führte eine weitere Abspaltung herbei und förderte seine Familie der Medici, denen er einen Herzogstitel in der heimischen Toskana verschaffte und die er in das französische Königshaus hinein verheiratete (Katharina von Medici). So verging wertvolle Zeit, in der Karl allein versuchen musste, die Ordnung im Reich zu bewahren, während an der Außengrenze in Ungarn die Osmanen eine wachsende Bedrohung wurden.

Das sog. Tridentinum nahm in mehreren Sitzungsperioden, darunter eine in Bologna, einen turbulenten Verlauf, sogar mit 10jähriger Unterbrechung. Trotz großen Arbeitspensums konnte es nicht alle Arbeiten selbst abschließen, darunter das Messbuch, das Pius IV. gerade noch rechtzeitig vor seinem Tod übergeben wurde. Dann endete das Konzil, dessen letzte Sitzung im Eiltempo verlief. Der Nachfolger Pius V. veröffentlichte 1570 das fertige Missale Romanum.

In ihm wurde z. B. festgeschrieben, dass die Messe nicht in der Volkssprache abgehalten wurde, aber auch, dass das Volk nicht die Kommunion empfing, beides offenbar in bewusstem Gegensatz zur Reformation. Verschiedene Päpste haben dieses Messbuch immer wieder fortgeschrieben, zuletzt Johannes XXIII. im Jahr 1962. Die letzte Ausgabe war dann noch offiziell bis 1970 (Deutschland 1975) in Gebrauch, wurde aber 2007 von Benedikt XVI. zum Gebrauch in genau definiertem Rahmen als außerordentliche Form des römischen Ritus wieder zugelassen. Dieser Gebrauch ist es, den Papst Franziskus reduziert sehen möchte und daher weiteren Einschränkungen unterworfen hat.

Noch ein Wort zu Pius V. (1504-1572), auf den sich moderne Traditionalisten auch oft direkt beziehen. Vor seiner Wahl war er gefürchteter Inquisitor, gehörte dem Dominikanerorden an, veranstaltete in den Abruzzen die Tötung von einigen Tausend geflohenen Waldenser „Ketzern“, lebte aber persönlich sehr bescheiden und lehnte jeden Luxus im Papstamt ab, womit er die große Zustimmung der Römer erwarb. Er vereinte Güte und Milde mit drakonischer Strenge. Sein bloßer Anblick soll „Protestanten bekehrt“ haben. Politisch organisierte er eine Koalition der christlichen Mittelmeermächte unter Führung von Spanien und Venedig, die 1571 in der Seeschlacht von Lepanto die Osmanen besiegten, was Pius besonders Maria, der „Mutter des großen Sieges“ zuschrieb, wonach Maria die zweifelhafte Ehre bekam, noch oft in Kriegen angerufen zu werden.

Pius bemühte sich redlich, alle vom Konzil angestoßenen Reformen auch umzusetzen. Er setzte dem Ablasshandel ein Ende. Er war es, der seinem Orden in Person von Thomas v. Aquin einen weiteren Heiligen und einen neuen Kirchenlehrer schuf. Interessanterweise verbot er Abendmessen einschließlich der abendlichen Feier der Osternacht.

Pius wollte der Reformation besonders entschlossen entgegen treten, beging den schweren Fehler, die beliebte Elisabeth I. von England zu exkommunizieren, was dort nur eine heftige Katholikenverfolgung auslöste. Und er führte sein Messbuch mit den recht starken Worten ein:

„Von nun an soll in allen kommenden Zeiten auf dem christlichen Erdkreis nicht anders als nach dem von Uns herausgegebenen Missale gesungen oder gelesen werden. (…) Wir setzen fest und ordnen an, daß diesem Unserem gerade herausgegebenen Missale niemals etwas hinzugefügt, daraus etwas weggenommen oder an ihm etwas verändert werden darf.“

Deshalb wird seine Bulle teilweise von traditionalistischen Strömungen als Beleg dafür herangezogen, dass die Katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil mit der Liturgiereform und der Einführung eines erneuerten Missale vom wahren Glauben „abgefallen“ sei.

Allerdings hatte Papst Paul VI. mit seiner Apostolischen Konstitution Missale Romanum vom 3. April 1969 explizit alles, was dem Inkrafttreten der Liturgiereform des 2. Vatikanums entgegenstand (also gerade o. g. Floskel), mit derselben auf ein Konzil gestützten Autorität aufzuheben verfügt. Genauso wie wie Pius V. erklärte Paul VI. nunmehr von Amts wegen:

„Unsere Anordnungen und Vorschriften sollen jetzt und in Zukunft gültig und rechtskräftig sein, unter Aufhebung jedweder entgegenstehender Konstitutionen und Verordnungen Unserer Vorgänger sowie aller übrigen Anweisungen, welcher Art sie auch seien.“

Tja – die katholische Kirche hat schon manchmal mit besonderen Sackgassen zu kämpfen, in die sie sich immer wieder freiwillig hineinbegibt.

 

 

 

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