Eine Diskussion die nicht sein darf

Zu Pfingsten 1994 überrascht Papst Johannes Paul II seine Mitbrüder im Bischofsamt mit einem Schreiben. Da auch Bischöfe von vielen Informationen überflutet werden, teilt der Papst gleich im Titel mit, worum es geht: die nur den Männern vorbehaltene Priesterweihe. Das ist nicht gerade ein rein pfingstliches Thema.

Die beiden ersten Worte der lateinischen Fassung, nach denen päpstliche Schreiben üblicherweise zitiert werden, ließen noch weiteren Raum zu: ordinatio sacerdotalis heißt erst einmal nur Priesterweihe, wenn man will auch die priesterliche Weihe oder idiomatisch deutsch die Weihe zum Priester.

Dass der Diener der Diener Gottes, einer der Titel des Papstes seit Gregor I. (um 600), seine Brüder im Bischofsamt kalt erwischt, zeigt sich unter anderem darin, dass sein Schreiben im Kirch­lichen Amts­blatt für das Bistum Essen, etwa, im Wortlaut gar nicht erscheint, weder im Mai noch später. Erst in dessen Novemberausgabe meldet sich dann nach wohl intensiver Beratung gleich die gesamte deutsche Bischofskonferenz nach ihrer Herbsttagung mit einer gemeinsamen Stellungnahme. Auf deren Inhalt, der an einer ganz entscheidenden Stelle vom Original doch abweicht, wird noch einzugehen sein.

Warum greift Johannes Paul in 1994 die Priesterweihe auf? Das Jahr 1994 hat große Bedeutung in der Anglikanischen Gemeinschaft: sowohl die Church of England als auch die Scottish Episcopal Church weihen die erste Frau zum Priester, nachdem die ersten weiblichen Diakone schon 1986 bzw. 1987 geweiht wurden. Die Anglican Church of Canda weiht 1994 ihren ersten weiblichen Bischof. Die Episcopal Church (USA) und die Anglikanischen Provinzen in Neu Seeland und in Australien haben diesen Schritt schon hinter sich. Vergleichen Sie diese vollständige Tabelle.

Aus Sicht der römischen Kurie also ein vielleicht „heisses“ Thema, das man zwar am liebsten gar nicht anfassen würde, aber nicht ohne Weiteres aus der Welt schaffen kann. Die katholische Kirche behauptet ja oft, dass es ja gar nicht so viele geeigneten Bewerberinnen gibt, was aber ein Irrtum ist, sehen wir doch voller Staunen nach England, wo 32 Frauen die Weihe in 1994 tatsächlich empfangen. Diese Zahl geht danach steil aufwärts und nur 10 Jahre später ist eine von fünf Priestern in England eine Frau. Es ist anzunehmen, dass die übrigen europäischen Frauen ihnen ebenbürtig wären. Es ist ferner anzunehmen, dass die Katholische Kirche im Vorfeld der Beschlüsse vom Erzbischof von Canterbury angesprochen wurde und nach dem Stand der Dinge gefragt wurde.

Johannes Paul gibt keinerlei direkten Hinweis, ob diese Überlegungen wohl zutreffend sind. Nur einen indirekten Hinweis verdanken wir ihm, denn immerhin blickt er zurück auf Paul VI, der im Jahre 1975 bereits dem damaligen Erzbischof von Canterbury eine persönliche Antwort auf eine ebensolche Anfrage gibt. In der recht kurzen Anfrage, die eigentlich mehr eine Mitteilung ist, teilt Erzbischof Coggan  dem Papst mit, dass es einen „slow but steady growth of a consensus of opinion within the Anglican Communion“ gibt, dass „there are no fundamental objections in principle to the ordination of women to the priesthood“.  In der ebenso kurzen, einseitigen Antwort, S. 599-600, schreibt er dennoch etwas mehr als Johannes Paul in sein Zitat übernimmt. Er erwähnt nämlich noch die gemeinsame Arbeit, die schon seit 1966, als Coggans Vorgänger Rom besuchte, nach neun Jahren noch keinen finalen Bericht hat. Deren Arbeit, so schreibt er, würde nun ein „element of grave difficulty“ bekommen. Das ist ja auch nicht erstaunlich, wenn man selbst nichts tut. Jedoch äußert sich Paul VI zufrieden, dass die Anglikanische Gemeinschaft in dieser Frage eine informelle Diskussion mit dem Sekretariat für die Einheit des Christlichen Glaubens führt. Das heißt: die anglikanischen Kirchen gingen schon einige Jahre einen zielstrebigen Weg, während sich auf Seiten der Katholischen Kirche schlicht nichts tat.

Johannes Paul zitiert eigentlich nur Paul VI, wenn er den folgenden Standpunkt der katholischen Kirche darstellt.

Es ist aus prinzipiellen Gründen nicht zulässig, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Zu diesen Gründen gehören:

  1. das in der Heiligen Schrift bezeugte Vorbild Christi, der nur Männer zu Aposteln wählte,
  2. die konstante Praxis der Kirche, die in der ausschließlichen Wahl von Männern Christus nachahmte,
  3. ihr lebendiges Lehramt, das beharrlich daran festhält, dass der Ausschluss von Frauen vom Priesteramt in Übereinstimmung steht mit Gottes Plan für seine Kirche.

Paul VI sah wohl zu Recht ein, dass er etwas schwergewichtigter argumentieren müsste und beauftragte deshalb, …

 

Es gibt viele Mitglieder der katholischen Kirche, welche die aktuelle Praxis gut heißen und Ordinatio Sacerdotalis vehement verteidigen. Dabei fällt allerdings auf, dass sich die Äußerungen nur selten mit den wirklichen Inhalten beschäftigen und nicht etwa neue gute Gründe anführen oder bekannte Gründe mit neuen Erkenntnissen untermauern. Vielmehr wird die Debatte auf ganz anderen Ebenen geführt. So ist häufig zu hören: „Anstatt die Institution (Kirche) und das Amt (Priester) zu schwächen, sollte man doch lieber seine Zeit und Mühe in die Rettung von Seelen einbringen“. Andere Stimmen fragen: „Darf  der Papst so etwas in dieser Form regeln?“ Und die mehr oder weniger automatische Antwort lautet „Ja“, wobei die absolut monarchische Struktur der Kirche bemüht wird, eventuell noch gefolgt von Hinweisen auf Dekrete, die nichts anderem als der Selbstermächtigung der Kurie dienen. Den Vogel abgeschossen hat der damalige Kardinal Ratzinger, der in einem Artikel von sich gab: „Die Kirche kann nicht tun, was sie will.“ Manche meinen gar, die Kirche müsse katholisch bleiben und dürfe nicht protestantisch werden, und katholisch bedeutet eben besondere Regeln für Frauen. Besonders dreist sind dann Vorschläge wie, man solle sich doch dann gleich lieber der XY Kirche anschließen, die ja das alles hätte, was man wollte. Manche Menschen geben unumwunden zu, dass sie keine theologischen Kenntnisse haben und sich keine eigene Meinung bilden wollen; für sie sind der Papst und seine Berater mit ihrem tiefen Wissen unsere alleinige Erleuchtung. Es gibt sogar sehr gebildete Menschen, die nur so bescheiden tun und froh sind, sich hinter Autoritäten verstecken zu können. Wie wir sehen: der Kampf wogt hin und her. Die römische Kurie hat sich in eine heillose Sackgasse hineinmanövriert, wie es in der Vergangenheit schon bei anderen Fragen passiert ist.

 

Wer auf dieser Ebene argumentieren möchte, sollte sich nicht selbstgefällig zurücklehnen. Ihr/ihm kann man z. B. entgegenhalten: „Es ist ein ungerechtes Gesetz, unter das wir fallen. Und wir haben das Recht, gegen ungerechte Gesetze aufzustehen.“ Das ist tatsächlich schon lange Rechtstradition; ein ungerechtes Gesetz verpflichtet nicht. Dafür gibt es sogar allerhöchste Vorbilder. Jesus, etwa, hat nie gezögert, ungerechte oder belastende Gesetze zu übertreten, die den Menschen überhaupt nicht dienlich waren und keineswegs  „in Gottes Sinne“ waren. Denken wir an die wirklich absurden Sabbatgebote zum Bespiel. Dadurch hat er sich Feinde geschaffen. Das haben Frauen auch, und nicht zu knapp. Die Androhung der Exkommunikation liegt ständig „in der Luft“. Eine weitere auf der Hand liegende Tatsache ist, dass der Vatikan bei allem „kirchenrechtlichen Getue“ von einem Rechtsstaat meilenweit entfernt ist. Da werden „Verfahren“ eröffnet und fleissig „Beweise“ gesammelt, ohne dass „Beschuldigte“ davon erfahren, sie werden vorgeladen und müssen sich äußern, ohne eine volle Akteneinsicht zu haben, und dann werden Beschlüsse gefasst und Verstösse gegen sehr abstrakte Normen konstatiert, die man am ehesten noch mit „Hochverrat“ vergleichen kann, ohne dass auf die Details im Einzelnen Bezug genommen wird. Rechtsmittel können nicht eingelegt werden, außer an dieselbe, urteilssprechende Instanz. Öffentlichkeit ist sowieso unbekannt. Außerdem werden unliebsame Berichte unter Verschluss genommen und nicht veröffentlicht, so geschehen mit dem Ergebnis einer päpstlichen Bibelkommission, die zu prüfen hatte, ob die Nicht-Ordination von Frauen durch Schriftstellen begründet werden kann.

 

 

 

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