Haushalt der Propsteipfarrei St. Ludgerus 2022

In einer Mitteilung des Kirchenvorstands der Pfarrei St. Ludgerus wird berichtet, dass die Einnahmen und Ausgaben im Jahr 2022 weiterhin nicht ausgeglichen sein werden. Es werden Einnahmen in Höhe von etwa 740.000 € erwartet, welche etwa um 240.000 € unter den Ausgaben in Höhe von etwa 980.000 € liegen werden. Der Fehlbetrag liegt somit bei über 30% der Einnahmen.

Die Erläuterungen zum Haushalt können von der Homepage der Pfarrei heruntergeladen werden, sind allerdings inhaltlich identisch mit der Webseite.

Vorwort

Mit diesem Beitrag soll untersucht werden, ob die Pfarrei St. Ludgerus ihre Gläubigen im Jahre 2022 ausreichend über ihre wirtschaftliche Situation informiert.

Geld sollte nicht gerade im Vordergrund einer Kirchengemeinde stehen. Zu Recht denken wir zuerst an Gott und den Auftrag der Kirche als Leib Jesu. Es ist aber doch wünschenswert, dass praktische Notwendigkeiten nicht aus den Augen verloren werden und gerade die Frage, „wie hoch sind unsere Einnahmen und wofür geben wir unser Geld aus“, nicht nur in einem kleinen, spezialisierten Kreis von Menschen besprochen wird.

Sehr richtig ist: die Kirche soll eine „Kirche des Glaubens“ bleiben und nicht zu einer „Kirche des Geldes“ werden. Wenn jedoch, nicht nur in St. Ludgerus, sondern überall im Bistum, Kirchen geschlossen werden und dafür nicht allein pastorale sondern in verstärktem Maße finanzielle Gründe ins Feld geführt werden, so sollte das Grund genug für alle Gläubigen sein, diesen Fragen nicht auszuweichen.

Mit diesem Beitrag hoffe ich, eine Brücke zu schlagen, die auch von Leser*innen gegangen werden kann, die in ihrem Alltag zwar ihr eigenes Konto mit den eigenen Einnahmen und Ausgaben voll im Griff haben, sich aber im Umfeld eines Unternehmens und dessen Buchhaltung nicht gerade heimisch fühlen. Wenn etwas unklar ist oder besser zu formulieren ist, hinterlassen Sie bitte unten auf der Seite einen Kommentar. Dort können Sie auch gerne Fragen stellen, die vielleicht übersehen worden sind. Danke für Ihre Mithilfe.

Überblick

Der Bericht stellt dar, dass alle Einnahmen, welche die Pfarrei erzielt, zu gering sind, um alle vorgesehenen Ausgaben zu decken. Dadurch entsteht ein Fehlbetrag, der dadurch gedeckt werden muss, dass Teile des Vermögens verkauft werden. Als Grund für den Fehlbetrag sieht der Bericht vor allem, dass die wichtigste Einnahme, die vom Bistum aus der Kirchensteuer gezahlte sog. „Schlüsselzuweisung“ von Jahr zu Jahr zurück geht. Auf der anderen Seite sind keine Einsparungen möglich, denn der Aufwand für Energie und Personal und andere Kostenblöcke steigt.

Der Bericht hofft, durch „Weiterentwicklung und Konkretisierung der im Votum für die vier Gemeinden aufgezeigten Optionen“ eine Trendwende zu schaffen. Er sieht eine dringend notwendige „Konzentrierung auf hieran angepasste räumliche und personelle Rahmenbedingungen“ infolge der „zurückgehenden Anzahl der Gläubigen“. Erschwerend, so der Bericht, sei die nach wie vor gültige, grundlegende Zielsetzung, „in allen vier Gemeinden auch weiterhin als Pfarrei präsent zu sein“.

Der Bericht stellt jedoch das Vermögen der Pfarrei nicht dar, das heißt ihren Besitz an Grundstücken, Gebäuden, Wertpapieren und anderen Geldanlagen. Er stellt auch den Bestand aufgenommener Darlehen nicht dar. Der Bericht lässt offen, welche Teile des Vermögens abgegeben werden, um den Fehlbetrag auszugleichen.

Dringende Fragen

Nach dem Lesen des Berichts stellt sich eine Reihe von dringenden Fragen, zu denen im Bericht keine Antworten zu finden sind. Die wichtigste Frage ist die nach der Vermögenssituation und ob eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Pfarrei bevorsteht. Im Klartext:

Ist die Propsteipfarrei pleite und keiner weiß es?

Denn die Haushaltslücke beträgt über 30% der Einnahmen. Das ist ein „sagenhaft“ hoher Anteil. Der KV macht keinerlei Angaben dazu, wie die zusätzlichen Ausgaben gedeckt werden, außer der Formulierung „aus den Rücklagen“. Ja – aus welchen denn? Welche Vermögens­bestände müssen dafür aufgegeben werden?

Außerdem sah es in den letzen Jahren nicht gerade besser aus.

2019: -6%

2020: -15%

2021: -25%

Die Werte sind geschätzt, weil die Grafik der Jahresvergleiche nur ungenau abgelesen werden kann. Hat denn die Pfarrei überhaupt noch Vermögen? Darüber schweigt sich dieser Bericht des KV leider aus.

Gut – niemand wird wirklich im Ernst glauben, dass die ehrwürdige Propsteipfarrei aus den vergangenen Jahren nicht ein ausreichendes „Polster“ mitbringt, um kurzfristig einmal kritische Jahre zu überstehen.

Aber gehören diese Zahlen nicht allesamt „auf den Tisch“?

Plan und Ist

Da der Bericht vom Oktober 2022 stammt und dasselbe Jahr betrifft, sind es natürlich keine Ist-Zahlen, sondern (für den Rest des Jahres) Planzahlen. Es stellt sich die Frage, ob sämtliche Zahlen früherer Jahre, welche der Bericht nennt, bzw. welche dort in Grafiken abgebildet sind, also die Einnahmen sowie Ausgaben, auch die Planzahlen sind oder ob darunter auch Ist-Zahlen sind. Der Begriff „Haushalt“ bedeutet technisch eigentlich immer, dass es sich um eine Vorschau handelt. Wichtig ist neben der Planung jedoch auch immer am Jahresende die Bestandsaufnahme, ob alles innerhalb des Planes abgelaufen ist oder ob es unangenehme Überraschungen gegeben hat, was nur die Ist-Zahlen verraten.

Warum präsentiert der KV keine Ist-Zahlen? Ist es möglich, dass diese jeweils noch schlechter als die Planzahlen sind und daher gerne „vertraulich“ behandelt werden?

Kenner des Rechnungswesens wissen, dass die umfassende Darstellung sowohl des Vermögens (und der Schulden) sowie der Ist-Zahlen der Einnahmen und Ausgaben in einer Bilanz erfolgt. Warum veröffentlicht der KV also für frühere Jahre nicht wirkliche Jahresbilanzen? Wir würden uns dann im ersten Quartal 2023 auf die Bilanz für das abgelaufene Jahr 2022 freuen. Es muss ja nicht so lange dauern wie im Bistum, das seine Bilanz des Vorjahres oft erst 9 bis 11 Monate später fertig hat.

Haushaltsordnung des Bistums

Die Pfarrei ist nicht befugt, ihr Rechnungswesen zu organisieren, wie sie will, sondern sie hat sich dabei nach einer vom Bistum erlassenen, sehr umfangreichen Haushaltsordnung zu richten. Diese stammt aus dem Jahr 2014. Sie regelt etwa, dass die bis dato übliche ältere „Ein- und Ausgabenrechnung“, die man auch „kamerale Buchführung“ nennt, weil sie Jahrhunderte lang in den „Kammern“ von Fürsten, kommunalen und staatlichen Einrichtungen üblich war, durch eine moderne in Unternehmen übliche Buchführung gemäß dem Handelsgesetzbuch (HGB) abzulösen ist.

Wenn diese Haushaltsordnung des Bistums vom 06.06.2014 noch in Kraft ist, dann sollte aber St. Ludgerus laut §30 seit dem 01.01.2015 eben keine kamerale, sondern eine doppelte Buchführung nach den Vorschriften des HGB für Kapitalgesellschaften führen. Die Pfarrei muss dabei erst einmal zu Anfang eine Eröffnungsbilanz und dann jährlich einen Jahresabschluss in Bilanzform erstellen.

Da es moderne Programme gibt, welche zur Buchführung benutzt werden, ist die Erstellung einer Bilanz kein sehr hoher Aufwand mehr. Den größten Aufwand verursacht in der Regel der sog. „Lagebericht„, in welchem die wichtigsten Zahlen vertiefend erläutert werden (sollen).

Da eine Pfarrei nicht mit einem Großunternehmen zu vergleichen ist, könnte sie sich ohne Weiteres am Muster für vom HBG zugelassene kleine Kapitalgesellschaften orientieren.

Der Zweck einer Bilanz ist natürlich, dass sie veröffentlicht wird oder wenigstens allen zugänglich gemacht wird, welche ein berechtigtes Interesse an ihr haben könnten. Im Falle einer Pfarrgemeinde wären das mit Sicherheit alle Gläubigen.

Es ist unklar, weshalb St. Ludgerus seit Jahren diesen Weg der Transparenz nicht geht. Dann könnte man auch auf einen Blick sehen, wie hoch das vorhandene Vermögen, das Fremdkapital, die Rücklagen und die Rückstellungen sind. Unproduktive Diskussionen und „Ratespiele“ wären ab sofort nicht mehr nötig. Der Lagebericht würde weitere pastorale Differenzierungen erlauben, die in „normalen“ Kapitalgesellschaften nicht vorkommen.

Mehr Details erläutern

Neben den Schlüsselzuweisungen des Bistums, d. h. dem „üblichen“ Anteil der Pfarrei an der Kirchensteuer, in Höhe von 269.000 € bekommt die Pfarrei auch 72.000 € vom Bistum und sonstigen ungenannten „Körperschaften“. Man kann doch nicht im Ernst einen so hohen Betrag, der fast 10% aller Einnahmen ausmacht, unkommentiert lassen. Was für Zuweisungen und Körperschaften sind das, bitte?

Aus Mietshäusern nimmt die Pfarrei 243.000 € ein. Das ist fast soviel wie die Schlüssel­zuweisungen. Eine Angabe, wieviele Mietobjekte das sind und wieviele m2 sie haben und wie hoch der durchschnittliche Mietertrag ist, wäre sinnvoll, insbesondere wenn man neben der Klage über die Ausgabensteigerungen Möglichkeiten der Einnahmensteigerung prüfen wollte. Ein ähnlicher Wunsch stellt sich für die 78.000 € Erbbauzinsen. Beide Überlegungen müssen sich auch noch an der durchschnittlichen Laufzeit der aktiven Verträge orientieren. Es wäre ja auch schön zu wissen, in welchen Gemeinden diese Ertragsobjekte liegen.

Bei der Betrachtung der Höhe der Personalkosten sollte man vielleicht erwähnen, dass diese nur für das nicht-pastorale Personal gemeint sind. Es fragt sich, wie viele Beschäftigungsumfänge bzw. „Stellen“ es gibt und wieviele Menschen es sind. Alle Seelsorger – Priester, Diakone, Pastoral- und Gemeindereferent*innen – werden direkt vom Bistum bezahlt. Deren Gehaltssumme könnte man vielleicht „unter dem Strich“ bzw. in einer Fußnote auch ausweisen.

Weitere Mängel

Auf der Ausgabenseite wäre es unabdingbar, nicht nur die Kostenarten wie Energiekosten, Abgaben, Reinigung, Erhaltung zu berichten, sondern auch die Kostenstellen zu betrachten. Das sind die Orte, wo die Kosten anfallen, also im Wesentlichen neben der „Verwaltung“ im Prinzip die einzelnen Kirchen. Welche sind denn eher „teuer“ und welche eher „preiswert“ zu unterhalten. Man wird vermuten, dass die Basilika die teuerste ist. Mehr Info täte jedoch Not. Die Buchhaltungsprogramme sollten das hergeben.

Was an laufender Instandsetzung fällt denn genau an? Hier nur eine Endsumme anzugeben, ist wenig informativ. Und wie ist der Bauzustand der Kirchen und anderer wichtiger Gebäude; wird er regelmäßig festgestellt? Drohen kurz- oder mittelfristig teure Reparaturen?

Die Tatsache, dass es auf der „Gremien“ Seite der Pfarrei den Punkt „Finanzen“ gibt und darunter direkt der Bericht des Jahres 2022 erscheint, aber keine anderen Jahre, zeigt deutlich, dass der KV kein durchgehendes Kommunikationskonzept verfolgt.

Fazit

Die Qualität dieses Haushaltsberichts lässt zu wünschen übrig.

Es wäre von Vorteil, wenn die Pfarrei ihre Mitglieder nicht mit möglichst wenigen, sondern mit möglichst vielen Informationen versorgte, und das freiwillig, regelmäßig und offen.

Erst wenn die Gläubigen informiert sind, kann eine differenzierte Diskussion, insbesondere von „schmerzhaften“ Änderungen, die aufgrund des Votums in der Zukunft noch anstehen, wirklich stattfinden. Wie sollen die vier Gemeinden ihre Optionen mit den Zahlen dieses Berichts „weiterentwickeln und konkretisieren“? Die Pfarrei muss deutlich bekennen, ob man die Gläubigen nun wirklich „mitnehmen“ will oder nicht.

Die Gläubigen in St. Ludgerus sind weder im Jahr 2022 ausreichend über die wirtschaftliche Situation informiert worden, noch ist das in den Jahren vorher in erkennbarer Weise geschehen. Die Pfarrei scheint auch kein Konzept dafür zu besitzen, wie das in den folgenden Jahren geschehen soll. Die Organisation ihrer Homepage lässt kein solches Konzept erkennen. Es ist zu befürchten, dass der Bericht zum Jahr 2022 eine „Eintagsfliege“ bleibt und dass man möglicherweise wieder zu der traditionellen Alibi-Praxis zurückkehren wird, den Haushalt nur für etwa zwei Wochen irgendwann in der ersten Jahreshälfte im Pfarrbüro zur persönlichen Einsicht nur auszulegen. Diese Praxis jedoch ist der Tod der Transparenz.

Kirchengemeinden als Körperschaften des öffentlichen Rechts können ja nicht in die Insolvenz gehen. Ist das richtig? Aber eine zahlungsunfähige Pfarrei ist sicher kein „Ruhmesblatt“ für das Bistum und das Bistum wird einspringen müssen, wenn es „hart auf hart“ kommt. Ist es möglich, dass eine der „Vorzeigepfarreien“ des Bistums (Basilika!) kurz vor der Pleite steht und niemand weiß es?

Was sagt das Generalvikariat dazu?

QUELLEN

FUSSNOTE

Bei der Betrachtung der Schlüsselzuweisungen haben viele Gläubige oft den Eindruck, dass diese „gottgegeben“ sind oder „vom Himmel fallen“. Auch der Name ist „geheimnisvoll“. Nichts dergleichen. Es gibt eine exakte Anweisung, wie sie zu berechnen sind. Siehe der Link in den Quellen. Darin geht im Prinzip nur die Anzahl der Gläubigen, die Fläche der Pfarrei (wichtig für das Sauerland) und die Anzahl fremdsprachiger Gemeinden ein. Pastorale Faktoren, wie Beteiligung am Gottesdienst, Anzahl Erstkommunionen oder Firmungen, Anzahl Ehrenamtlicher, Anzahl pastoraler Gebäude usw. spielen überhaupt keine Rolle.

Wenn das Bistum – wie in den letzten Jahren – mehr Kirchensteuern einnimmt, steigt keineswegs die Schlüsselzuweisung, weil die obige Formel ja unveränderlich bleibt, ja sie sinkt sogar, weil die Pfarrei aufgrund der Kirchenaustritte immer weniger Gläubige hat. Allerdings könnte das Bistum mittels eines „Faktors“, der jährlich immer neu festgelegt wird, meist aber immer den Wert 1,0 bekommt, den Anteil der Pfarrei steigern. Das wird jedoch nicht praktiziert.

  • Netto Kirchensteuer Bistum Essen 2021: 189 Mio €.
  • Gläubige Bistum Essen 2021: 703.162.
  • Kirchensteuer pro Kopf: 268,8 €.
  • Gläubige St. Ludgerus (2016): 15.643.
  • Kirchensteueraufkommen St. Ludgerus (2016): 268,8 * 16.643 = 4,2 Mio € circa.
  • Schlüsselzuweisungen 2022: 269.000 €.

Die Daten verschiedener Jahre „passen“ nicht ganz zueinander, geben jedoch einen ungefähren Eindruck davon, wie hoch das Kirchensteueraufkommen des Bistums aus der Pfarrei ist und wie niedrig derAnteil daran ist, welcher der Pfarrei vom Bistum wieder rücküberwiesen wird. Zu diesem Anteil hinzuzurechnen wären allerdings die Gehälter aller Seelsorger, da sie direkt vom Bistum gezahlt werden. Dieser Betrag kann jedoch nicht ermittelt werden.

Summa summarum: das Bistum hält seine Pfarreien mit Absicht sehr knapp.

AUTOR

Wer ist der Autor dieser Kritik, so fragen Sie jetzt vielleicht am Ende. Ist er selbst ein Mitglied der Propsteipfarrei? „Darf“ er überhaupt mitreden oder „mischt“ er sich nur ein?

Ja, der Autor mischt sich von außen ein. Die Initiative „Unsere-Kirche-2030.de„, auf deren Seiten Sie diesen Artikel lesen, nimmt seit 2018 das Bistum Essen und seine Pfarreien unter die Lupe und bemüht sich, nicht nur Meinungen, sondern auch Tatsachen sprechen zu lassen. Vorrangig geht es dabei um die von den Gläubigen überhaupt nicht geliebten Geldfragen. Bitte besuchen Sie unsere Homepage und „surfen“ Sie dort nach Herzenslust. Lesen Sie etwa unser Manifest von 2018 oder dieses Dokument.

Eine Antwort auf „Haushalt der Propsteipfarrei St. Ludgerus 2022“

  1. Wer einen solchen Artikel schreibt, sollte eigentlich wissen, dass die Instandhaltungskosten der Basilika nicht den Pfarrhaushalt belasten, sondern komplett vom Land NRW getragen werden.

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