Klare Worte aus Rom

Es kann doch nicht sein, dass die Hirtenaufgabe eines Pfarrers oder Bischofs darin besteht, das finanzielle Überleben des Bistums zu sichern. So denken aktive Gemeinden, deren Kirchen in Gefahr sind, aufgegeben und profaniert zu werden. Mit Recht – wie ein Lehrschreiben des Papstes vom Juli 2020 zu erkennen gibt.

Das Lehrschreiben oder die Instruktion, hat den ausführlichen Titel: „Die pastorale Umkehr der Pfarr­gemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche“. Verfasst wurde es von der Kongregation für den Klerus (hier: Wikipedia) und von Papst Franziskus approbiert.

Es wurde von einem Teil der deutschen Bischöfe sehr negativ kommen­tiert. Allerdings war hier mehr die Mitarbeit von Laien in der Leitung von Pfarreien der umstrittene Punkt. Auch Frauen werden mit keinem Wort erwähnt, was allerdings weniger die Bischöfe stört, sondern Kfd und WirSindKirche. Kirchenrechtler wittern römische Tendenzen, wieder mehr Einfluss an sich zu ziehen. Alles verständlich – meinen wir. Lesen Sie ausführlich über die Kritik an der Instruktion.


Hier soll die Instruktion in einigen Details vorgestellt werden. Diese sind bisher von Presse und Öffent­lich­keit fast vollkommen übersehen worden. Dabei enthalten sie ganz erstaunliche Klarstellungen zum Kirchenrecht. Wir zitieren ausführlich aus dem Original.

Auf Seite 6 im Abschnitt 20 bekunden die römischen Verfasser ihr Anliegen, „die ‚tra­ditionellen‘ pfarrlichen Strukturen unter missionarischem Gesichts­punkt zu erneuern.“ Das sei „das Herzstück der gewünschten pastoralen Umkehr, die die Verkündigung des Wortes Got­tes, die Spendung der Sakramente und das karitative Zeugnis betreffen muss.“ Und hier sind die  „wesentlichen Bereiche, in denen die Pfarrei wächst und sich dem Mysterium, an das sie glaubt, nä­hert.“

So weit, so gut – aber das ist erst noch Theorie. Konkreter und spannender wird es im Abschnitt 27, wo recht deutlich zu lesen ist, dass nach geltendem Kirchenrecht „die Pfarrei kein Gebäude oder ein Bündel von Strukturen ist, sondern eine konkrete Gemeinschaft von Gläubigen, in der der Pfarrer der eigene Hirte ist.“ Es heißt, dass „die Pfarrei die Kirche territorial präsent macht.“

In Abschnitt 34 finden wir, dass „die Pfarrei die Gefahr vermeiden (muss), einer exzessiven Bürokratie und Servicementalität zu verfallen, die nicht die Dynamik der Evangelisierung, sondern das Kriterium des Selbst­erhalts aufweisen.“ Das ist erstaunlich. Und stark! Und gilt vermutlich auch für ein Bistum!

Etwas weiter im Abschnitt 36 müssen „die Hirten daher berücksichtigen, dass der Glaube des Volkes Gottes mit Erinnerungen an familiäre und gemeinschaftliche Erlebnisse verbunden ist. Heilige Orte er­innern sehr oft an bedeutende persönliche und familiäre Ereignisse vergangener Generationen. Um Trau­mata und Ver­letzungen zu vermeiden, erscheint es bedeutsam, die Neuorganisation von Pfarrgemeinden und manchmal auch der Diözesen flexibel und behutsam durchzuführen.“

Dies ist einer der wichtigsten Sätze der ganzen Instruktion. Er heißt im Klartext:

Unsere Gotteshäuser sind nicht irgendwelche beliebigen „pastoralen Orte“, sondern hier liegen unsere Wurzeln. Unsere Hirten sind auch nicht berufen, Traumata und Verletzungen abzu­mil­dern und durch ihr Verständnis und Mitgefühl zu teilen, sondern sie sollen sie vermeiden. Vermeiden heißt: nicht geschehen lassen. Klarer geht es nicht.

Derselbe Abschnitt endet mit der Forderung: „Man darf nichts ‚überstürzen‘ und Reformen nicht zu eilig und mit ‚am grünen Tisch‘ erarbeiteten allgemeinen Kriterien durchführen wollen und dabei die konkreten Bewohner eines Gebietes vergessen. Jedes Projekt muss die konkreten Umstände einer Gemeinde berück­sichtigen und ohne Traumata mit einer vorausgehenden Phase der Beratung, einer Phase der schrittweisen Verwirklichung und der Überprüfung durchgeführt werden.“

Das ist fast Wort für Wort die Vorstellung des Initiativkreises!

Nicht am „grünen Tisch“ entscheiden, nicht „hinter verschlossenen Türen“ beraten und entscheiden, die „konkreten Bewohner“ eines Gebietes tatsächlich berücksichtigen! Einer Gemeinde, die sich noch selbst als aktiv und lebendig erlebt und eine Zukunft für sich sieht, nicht die Kirche wegnehmen!

Die Instruktion beschäftigt sich ab Abschnitt 48 mit derAufhebung von Pfarreien. Eine Zusammen­legung mit aufhebender Wirkung ist „legitim, wenn Gründe vorliegen, die eine bestimmte Pfarrei direkt betreffen. Hingegen sind beispielsweise keine angemessenen Gründe der bloße Mangel an Klerikern in einer Diözese, deren allgemeine finanzielle Situation oder andere Bedingungen der Gemeinde, die voraussichtlich kurz­fri­stig verändert werden können (z. B. die Zahl der Gläubigen, die fehlende finanzielle Unabhängig­keit, städte­bauliche Veränderungen des Gebietes). Damit Maßnahmen dieser Art rechtmäßig sind, müssen die Gründe, auf die man sich bezieht, mit der betroffenen Pfarrei in direkter und organischer Weise in Verbindung ste­hen. Sie dürfen nicht auf Überlegungen allgemeiner, theoretischer und ‚prinzipieller‘ Art beruhen.“ 

Nicht mit dem Kirchenrecht vereinbar ist hingegen eine „singuläre Maßnahme, die auf der Basis eines einzigen Rechtsaktes, allgemeinen Dekretes oder diözesanen Gesetzes auf eine Neuordnung allgemeiner Art hin­sicht­lich der ganzen Diözese, eines ihrer Teile oder mehrerer Pfarreien abzielt.“
Insbesondere ist “ ein allge­mei­ner Verweis auf das ‚Heil der Seelen‘ (…) nicht ausreichend.“

Es kulminiert in folgendem: „Wenn nicht schwerwiegende gegenteilige Gründe vorliegen und der Prie­ster­rat gehört worden ist, muss die Kirche der aufgehobenen Pfarrei weiterhin für die Gläubigen zugäng­lich sein“.
Der nächste Abschnitt setzt fort: „für die Entscheidung über die Profa­nierung (sind) der diözesane Klerikermangel, die Abnahme der Bevölkerung und die schwer­wiegende fi­nan­zielle Krise der Diözese keine legitimen Gründe. Wenn das Gebäude sich hingegen in einem für die Feier der Liturgie un­brauchbaren irreparablen Zustand befindet, ist es möglich, es gemäß dem kanonischen Recht zu profa­nieren.“ – Aha!

Das ist ganz, ganz eindeutig: nicht einmal die „schwerwiegende finanzielle Krise der Diözese“, also gerade das, was das Bistum Essen anscheinend so umtreibt, ist „legitimer Grund“ für die Entscheidung zur Profanierung.

Das bisher gelesene dürfte reichen, um klar zu machen:

Die auf das Bistum Essen zurollende „Entwicklung“ unserer Pfarreien und Aufgabe unserer Kirchen ist kirchenrechtlich nicht haltbar.

Alle getauften, gültigen Mitglieder einer Ortskirche, nicht nur ihre Kleriker, haben das Recht, Eingaben an die Congregazione per il Clero – 00120 Città del Vaticano zu machen und mit Hinweis auf kirchenrechtliche Versäumnisse Anträge zu stellen, die den Ortsordinarius, den Bischof also, betreffen. Nach Lage der Dinge wäre dieser Weg tatsäch­lich nicht ganz ohne Aussicht auf Erfolg.

2 Antworten auf „Klare Worte aus Rom“

  1. Zu einigen Punkten noch konkret:

    a) Elegant wurde der vatikanische Schwachsinn ausgeschlachtet.

    b) Müll? – Ja, so manches in der Instruktion. Das habe ich ja ausgeführt. Hier.

    c) Die Ausschlachtung pässlicher Teile der Instruktion ist propagandistisch gut gelungen.

    d) Kirchenrechtliche Probleme? – Marx und Konsorten werden mit dem Geldbeutel winken, und Franziskus wird verstehen, zumal er klamm ist. Und die Position der Instruktion herzlich dumm, wie dargelegt.

    Übrigens: die guten Erwägungen, die wenigstens angerissen sind – “Merkmale der gegenwärtigen Welt”, “Zunahme der Mobilität und der digitalen Kultur”, Veränderung des “Raumverständnisses” , Sprache und Kultur “besonders der jungen Generationen”, Denkweise zum “gesellschaftlichen Leben” , “problemlose Mobilität und Schnelligkeit der Kommunikation”.

    Wie ist das alles missionarisch zu bewältigen? Das alles lebt doch nicht von alten Backsteinen, nur weil sie da rumstehen!

  2. Einige Aussagen der Instruktion eignen sich exzellent dazu, jetzt von Ihresgleichen ausgeschlachtet zu werden.

    Was Finanzen und Schließung angeht – nun, dann lassen Sie den Bau mal ein paar Jahre reparaturlos – dann ist er eine Ruine. Und dann darf auch nach Instruktion geschlossen werden. So ist da ja wohl für die B-Kirchen vorgesehen – einstweilen weiter so, aber ohne großen Aufwand. Unsere Baubehörden und Polizei werden schon dafür sorgen, dass Gefahren für die öffentliche Sicherheit entgegengewirkt wird. Und die Staatsanwaltschaft je nach Lage der Dinge mit Totschlagsverfolgung, wenn es mal richtig knallt.

    Für restlosen intellektuellen Blödsinn halte ich die Aversion der Instruktionsbürokraten gegen generelle Regelungen. Eventuell ähnelt eher mafiaartigem Beziehungsgewebe, dass stets nur der Einzelfall separat und nicht nach generellen Grundsätzen geurteilt werden solle. Wer da eben am lautesten schreit oder die besten Beziehungen durch einen Paten hat. Rechts- und Gerechtigkeitsverständnis entspricht eher, nach für alle grundsätzlichen gültigen Maßstäben vorzugehen, dabei in der Tat auch die konkreten etwaigen Besonderheiten zu berücksichtigen. So etwa, wenn eine Pfarrei in den letzten 20 Jahren 5 Neupriester hervorgebracht hat – da muss was besonderes dran sein. Sogenannte Engagierte und “Aktivisten” mögen doch einmal darlegen, wieviele Neupriester aus ihrem in Rede gestellten lebendigen Gemeindeleben hervorgegangen sind.

    Ich lese gerade im Ruhrwort dieses Wochenendes die kluge Bemerkung des Hw Herrn Pfarrers Pottbäcker – die Rückgänge sind doch nichts Neues, sie sind seit 20 – 30 Jahren da. Mögen da doch die lautschreienden sogenannten aktiven Gemeinden einmal darlegen, wie das bei ihnen war, auch wieviele Neupriester, auch: Ordensfrauen. Postkonziliares Humbahumba Täterä, Gedudeltes vom Allergedudeltem Progressivem und pipapo – Trallala-Aktivitäten des Lehrfernsten in Jugendgruppen – davon wird keine einzige Hl. Messe zelebriert.

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