Raus aus der Sackgasse

Die junge  katholische Theologin Dr. Margarete Strauss schreibt unter diesem Titel in der Wochenzeitung Die Tagespost eine Betrachtung.

Es geht darin um den jüngsten Kirchentag in Frankfurt und ob Frauen sich ein Bein stellen.

Frauen sollten nicht so sehr auf das Weiheamt fixiert sein. Die Debatte ist geklärt, meint die Autorin.

Die aus ihrer  Sicht völlig abwegige Frage, ob Frauen Priester werden können, wird von der Autorin gleich eingangs als „zeitgeistliches Mantra“ bezeichnet. Ihr ist sicherlich bekannt, dass man damit eine heilige Silbe, ein heiliges Wort oder einen heiligen Vers bezeichnet, welche „Klangkörper“ einer spirituellen Kraft sein sollen.

Um die Vorstellung des repetitiven Rezitierens sinnfällig zum Ausdruck zu bringen, hätten ihr auch zwei Bilder aus der katholischen Welt zur Verfügung gestanden, die Litanei (ein Vorbeter und eine Gemeinde, diese mit einem immer gleichbleibenden Ruf) und der Rosenkranz. Beide enthalten etwa dieselben meditativen Elemente. Die Autorin zieht es jedoch vor, nicht ihren eigenen, sondern einen fernen Kulturkreis zu bemühen.

Ist das schon abwertend gemeint? – Vermutlich nicht. Aber nun tritt die Eigenschaft „zeitgeistlich“ hinzu. Ist das abwertend? Zunächst einmal bedeutet es „dem aktuellen Zeitgeist angepasst“. Ist doch nicht schlecht, oder? Besser als „vorgestrig“, oder nicht? Michael Georg Conrad schreibt 1890 „Die nachfolgenden Aufzeichnungen bilden in ihrer Art ein zeitgeistliches Dokument.“ Auch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache kommt mit eher neutralen Beispielen. Der Duden zieht allerdings die Rechtschreibung „zeitgeistig“ vor. Oder sollte vielleicht das häufigere Adjektiv „zeitgemäß“ gemeint sein? Jedenfalls gibt es dafür bedeutend mehr Synonyme:
aktuell, aufgeschlossen, augenblicklich, derzeitig, en vogue, fortschrittlich, gang und gäbe, gegenwärtig, heutig, jetzig, mit der Zeit, modern, momentan, neuartig, neumodisch, neuzeitlich, progressiv, revolutionär, up to date, vorkämpferisch, zeitentsprechend, zeitgenössisch.

Welches davon schwebt der Autorin vor? Wir tappen im Dunkeln. Ob sie es selbst weiß? Egal. Jedenfalls kommt diese Frage (nach der Priesterschaft) immer wieder auf, auch auf dem Kirchentag, wie uns berichtet wird. Mehr erfahren wir zunächst nicht, außer dass es wohl ein Interview gab, das Schwester Katharina Kluitmann OSF  der Agentur kna/kap gegeben hat. Wann war das? – Vor dem Kirchentag? Während? Danach?  Wo das Interview zu finden ist, erfahren wir auch nicht, aber die Autorin weiß, dass Sr. Katharina die Frage gestellt hat: „Kann Gott wollen, was römisch-katholisch nicht geht?“ Und endlich finden wir auf domradio.de auch die andere Frage, welche Sr. Katharina umtreibt: „Wer seid ihr, dass ihr Gott hindern könnt?“

In der Tat. Würde mich auch interessieren. Warum beantwortet man diese beiden Fragen nicht einfach sachlich und ohne Aufregung? Die Autorin lässt sich auch nicht zu einer Antwort herab, sondern ist in der Erkenntnis offenbar schon etwas weiter, denn sie sieht plötzlich einen Keil. Ja, einen Keil zwischen Gott und der Kirche, zwischen Jesus und seiner „Braut“. Furchtbar! Ja, als ob Gott, wenn es den Keil denn wirklich gäbe, ihn nicht auch sehen und entfernen könnte. Wie ist das : durch diese beiden Fragen ist da dieser „Keil“ entstanden? Theologen – habt ihr keine anderen Sorgen?

Für die Autorin ist klar: Christus selbst hat das vorgegeben,  was die Kirche lehrt und praktiziert. Könnte man dazu  sagen:  Aussage gegen Aussage? Ob der Autorin wohl klar ist, dass 70% bis 75% der lutherischen und der reformierten Kirchen hier auf dieser Welt das längst nicht mehr so unumstritten sehen? Gut, die sind ja auch keine „richtigen“ Kirchen, und wenn bei ihnen noch nicht der Blitz in die Kirch- und Versammlungsräume eingeschlagen hat, beweist das erst mal  gar nichts.

Die Autorin gesteht Sr. Katharina, die übrigens am selben Tag wie dem Domradio auch der Plattform kirche+leben.de Rede und Antwort steht, immerhin differenzierte Antworten zu. Es geht um die Gefühlsebene. Frauen, die sich berufen fühlen, haben nämlich einiges auszuhalten. Aber gleich danach kommt eben doch ein Vorwurf. Sr. Katharina ist zu unkritisch. Sie sagt nicht nur,  dass es  eine Menge  an Frauenberufungen gibt, sondern hält diese doch tatsächlich für authentisch. Woher kommt die Menge an Frauenberufungen? – fragt sich die Autorin. Der Ursache müsste man doch nachgehen, meint die Autorin.

Jede Berufung wird natürlich geprüft, sagen Ordensfrau und die Autorin. Aber die Autorin findet überhaupt nichts dabei, wenn die Prüfer möglicherweise voreingenommen oder befangen sind. Da Wort fällt  zwar nicht direkt; auch Sr. Katharina scheint es im Interview nicht zu benutzen. Aber was sonst sollte gemeint sein?

Völlig recht hat natürlich Sr. Katharina, wenn sie die Kirche mahnt, dass sie doch Diversität und Charisma „vergeudet“.   Der Vergleich mit Wirtschaftsunternehmen ist durchaus am Platze. Denn die meisten Unternehmen sehen ihr bestes Potential in den Ideen und dem Engagement ihrer Mitarbeiter.  Die Autorin findet den Vergleich „ungünstig“. Ist er ja auch –  für die Kirche. Für die Autorin kann man eine „übernatürliche Gemeinschaft“ und ein „Heilssakament“ nicht so verstehen. Immerhin gibt sie zu, dass die Kirche organisatorische und administrative Lehren annehmen darf. Bei geistlichen Berufungen hört es dann schon wieder auf. Dabei scheint sie zu übersehen, dass es in Rom durchaus eine „Personalabteilung“ gibt: die Kongregation für den Klerus etwa sichtet den Kleriker-„Nachwuchs“ und pflegt das, was man in der Wirtschaft „Human Resources“ nennt, allerdings ohne den „weiblichen Touch“.

Die Autorin missbilligt die Sympathie, die Sr. Katharina Kluitmann für die Initiative Maria 2.0 aufbringt. Dass die Frauen nicht immer nur „gehorsam“ gegenüber kirchlichen „Amtsträgern“ sein wollen, geht ja gar nicht. Dass eine Überprüfung am Willen Gottes vorgenommen werden soll und nicht einfach unbedingte Autorität gelten soll, prallt bei der Autorin vollkommen ab. Ihre „Argumentation“ dagegen: das päpstliche Lehrschreiben Ordinatio Sacerdotialis von 1994 „regelt“ doch schon  alles auf die bestmögliche und  richtige Weise. Ungehorsam ist demnach völlig „unnötig“. Dass diese Argumentation „im Kreis“ verläuft, fällt anscheinend kaum jemandem auf. Die Autorin bewegt sich als geschulte Theologin hier in renommierter Gesellschaft. Und weil es gerade so aktuell ist, zitiert die Autorin flugs noch das Responsum ad Dubium über die Ablehnung der Segnung homosexueller Partnerschaften.

Dass Sr. Katharina persönlich für sich  eher die Spendung des Beichtsakraments anspricht als die Messfeier, findet als Nächstes die Aufmerksamkeit. Nein – theologisch trennen kann man das nicht, meint die Autorin. Persönliche Vorlieben sind mit dem Weihesakrament nicht vereinbar. Ob sie wohl schon beobachtet hat, dass der eine Priester gerne predigt, der andere nicht, der eine mit Kindern und Jugendlichen „kann“, der andere nicht, die meisten die Verwaltungsarbeit hassen, einige wenige nicht und so weiter? Natürlich ändert auch eine Weihe recht wenig am persönlichen Profil, sagt die Lebenserfahrung. Irgendetwas „trennen“, wie die Autorin unterstellt, will doch im Moment ernsthaft wohl niemand.

Was können Frauen tun? Theologisch forschen und soviel wie möglich die Stimme erheben, also mitdiskutieren, sagt Sr. Katharina. Dem stimmt die Autorin sogar zu. Aber nun wird es ungenau: man versteht nicht genau, warum das einer Art „cancel culture“ zum Opfer fällt. Wer sagt das: die Autorin oder Sr. Katharina?

Dann sagt die Autorin, es wird aufgrund der allseits vorliegenden Weihefixiertheit überhaupt nicht wahrgenommen, dass Frauen die Kirche im akademischen Bereich bereits nachhaltig prägen. Ideologischer Tunnelblick verhindert wertvolle Arbeit von Frauen in der Kirche zu sehen. Man wüsste gerne: wer ist weihefixiert und wer hat Tunnelblick? Die Frauen selbst? Wenn ja, warum und wieso?

Der nächste Gedanke ist ein Exkurs über einen Beitrag zur Gegenreformation in Spanien. Hat den jetzt eine Frau geschrieben oder nicht? Weiter: welche Rolle spielt es, wie viele Frauen gerade in der Patristik forschen? Was sind die „richtigen“ Ansätze für Frauen als Akademikerinnen? Was soll der Hinweis auf das Ausland? Ja schön, dass Akademikerinnen Social Media nutzen. Unbedingt richtig: Inspirierende Frauengestalten unserer heutigen Zeit müssen deutlicher in die Öffentlichkeit gestellt werden. Aber warum erzählt die Autorin uns das alles? Will sie die Frauen ablenken? Sie gewisssermaßen weglocken von ihrer Vision?

Ja – viele Fragen.

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