Leidgeplagtes Kreuz und ein Scherbenhaufen

Was für eine Zeit: Zwei Jahre Pandemie mit allen ihren Folgen, Niedergang der Kirche in unseren Breiten bis zur restlosen Unansehnlichkeit. In großen Gemeinschaften wie Staat und Kirche, gibt es Zeiten des Dunkels, der Verneinung und der Bedrückung. Durststrecken der Erstarrung und der Traurigkeit. Es sind Zeiten, in denen wir wie gelähmt sind, in denen nichts weitergeht; es ist eine eigenartige Unfähigkeit, Neues zu denken und zu tun.

Dazu passt der Psalm 104

„Sendest du, Gott, deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde.“

Dieser Geist, den Gott gesendet, steht uns gerade in Zeiten der Verneinung und der Erstarrung, der Bedrückung und der Traurigkeit bei.

Wo ist der Ort der Kirche?

“ Die Kirche muß  an die Ränder der Gesellschaft gehen, an die Peripherie!“

Das ist ihr Ort , der Ort der Achtsamkeit, der Ort der Präsenz der Kirche, der Ort der Glaubenden. Die Kirche – zumindest in unseren Breiten – braucht gar nicht mehr an die Ränder zu gehen; sie befindet sich bereits dort. Seit jeher stand die Kirche in der Mitte des Dorfes bzw. des Stadtviertels, natürlich zusammen mit der Kneipe. Da steht sie auch jetzt noch; aber es ist uns vielleicht noch nicht wirklich zum Bewusstsein gekommen – und manche werden es auch leugnen.

Wir – die Kirche – rücken zunehmend aus der Mitte der Gesellschaft heraus. Die Kirchen werden immer mehr zu Monumenten vergangener Größe und Herrlichkeit und beanspruchen Orte, die ihnen von ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht mehr zukommen.

Existenz am Rand

Die nüchterne Einsicht ist; die Kirche gehört heute nicht mehr zu den führenden Mächten und Kräften der Menschheit. Nein, wir geraten an den Rand.

Wir sind eine kleine Gemeinschaft geworden. Jesus sagt „eine kleine Herde“ am Rand, und wir werden es in Zukunft mehr und mehr sein.

Eine solche Randexistenz zu akzeptieren ist schmerzhaft und zugleich befreiend. Nur am Rande haben wir einen freien Blick auf die Menschen und können sie in ihrer Bedürftigkeit wahrnehmen. Wie gesagt. Eine solche Randexistenz zu akzeptieren, ist schmerzhaft und zugleich befreiend. Schmerzhaft ist sie, weil es enttäuschen ist, an den Rand gedrückt zu werden, Autorität und Relevanz zu verlieren, Macht und Einfluß einzubüßen, Liebgewordenes und lange Vertrautes loslassen zu müssen.

Die Schule der Demut, das heißt: wir lernen in der Realität anzukommen. Die Kirche braucht sich nicht mehr zu produzieren; sie muß nicht immer im Mittelpunkt  stehen und kann dadurch Raum geben; sie kann die Mitte für Menschen frei halten.

Tugenden entwickeln

Solche Tugenden am Rand könnten sein:

 – Orginalität , die an der Freiheit erwächst, die eine Randposition ermöglicht

 – Phantasie, die keine übertriebene Angst mehr hat vor dem, was sich angeblich gehört und was zu geschehen hat

 – Minderung der Angst, Macht und Einfluß zu verlieren

 – größere Freiheit und weniger Druck die eine Position in der Mitte hervorruft

 – nicht mehr das Kreisen um sich selbst, das vieles Andere aus demBlick verliert, oder: größere Achtsamkeit für die Menschen aufgrund der Befreiung vom Kreisen um sich selbst

– Menschlichkeit, Mitgefühl, Solidarität und Achtsamkeit

Sakrament

Die Stellung am Rand der Gesellschaft kann uns helfen, die Kirche als ein Sakrament zu begreifen, das heißt als Weg und Mittel und nicht als Ziel und Selbstzweck unserer Bemühungen. Diese Position macht Unwichtiges überflüssig und rückt das Eigentliche, das Zentrale wieder ins Blickfeld, in die Mitte, die Person und die Botschaft Jesu. Wo Jesus und sein Wort gehört und gelebt werden, entsteht eine neue Mitte – die eigentliche Mitte.

Versuchungen

Versuchungen in dieser Randposition wären:

– sich zu verhalten wie unbeteiligte Zuschauer bei einem mehr oder weniger spannenden Welttheater

– zu resignieren angesichts dessen, kalt gestellt und nicht mehr gefragt zu sein

– sich mit allen Mitteln im Kampf der Ideologien und Weltanschauungen behaupten zu wollen

– lautstark auf sich aufmerksam zu machen, um verlorenen Einfluss wiederzugewinnen

– wegen der kleinen unbedeutenden Zahl in Angst zu geraten. Deshalb sagt Jesus immer wieder: „Fürchtet euch nicht!“

Hoffnung

Der Synodale Weg ist eines der wichtigsten Reformprojekte der katholischen Kirche. Das Suchen nach der Zukunft einer glaubwürdigen Kirche in unserem Land. Es geht um neue Formen des Umgangs mit Macht und Sexualität, um vollgültige Teilhabe von Frauen und um neue Lebensformen der Priester.

Eine Möglichkeit den Scherbenhaufen zu reparieren?


Abschlussgebet

Gott, allmächtiger Vater, segne uns als Glieder deiner Kirche.

Dein Segen verwandle Ratlosigkeit in Zuversicht,

Enttäuschung in Kraft neue Wege zu gehen.

Wecke in uns die Hoffnung, wenn alles verloren scheint.

Amen

Eine Antwort auf „Leidgeplagtes Kreuz und ein Scherbenhaufen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert