Unter diesem Titel beschäftigt sich die katholische Wochenzeitung Die Tagespost am 28.10.2021 in einem ganzseitigen Artikel mit dem Bistum Essen. Er ist als Auftakt einer Serie über Pfarreireformen in Deutschland vorgesehen.
Ein Bistum wird vorgestellt
Der Autor, Heinrich Wullhorst, lässt als erstes den „Ruhrbischof“ Franz-Josef Overbeck zu Wort kommen, der zum Einstieg gleich bekundet, dass er „die Prozesse der Erneuerung und Veränderungen fortsetzen wird – so schwierig und schmerzhaft sie auch manchmal sind“. Dann erfährt der Leser, dass Overbeck seit 2009 im Amt ist und „eines der jüngsten und kleinsten Bistümer in Deutschland“ leitet.
Das Bistum Essen in der Kirchenprovinz Köln. QUELLE: Wikipedia.
Das stimmt so nicht! An Fläche – ja – ist es schon das kleinste, aber nach Mitgliedern, die für eine Kirche ja wohl wichtiger sind – oder? – liegen 2018 nur zehn deutsche Bistümer vor Essen (2018: 755.000), die alle über eine Million Mitglieder haben, sechzehn dagegen liegen hinter ihm, darunter so renommierte wie Bamberg, Eichstätt, Fulda, Würzburg und sogar der „Heilige Stuhl von Mainz“ . Wenn das nicht deutlich oberes Mittelfeld ist!
Eines der jüngsten stimmt schon. Es wurde in der Tat 1958 aus Münster, Paderborn und Köln ausgegliedert und nur Erfurt, Görlitz, Magdeburg und Hamburg sind jünger. Dabei umfasst das sog. „Ruhrbistum“ nicht einmal das gesamte Ruhrgebiet, was im katholischen Deutschland kaum jemand weiß. Die Großstädte Herne, Recklinghausen, Dortmund, Hamm und Hagen etwa verblieben mit ihren Gläubigen und ihrer Steuerkraft hübsch bei den Mutterbistümern.
Im Zusammenhang damit fällt der häufig zu hörende Satz, dass Essen heute nur noch etwa die Hälfte der ursprünglichen Mitglieder hat, der besonders auch von leitenden Mitarbeitern des Bistums oft fällt. Was will man eigentlich damit sagen? – Dass es hier aber wirklich höchste Zeit für durchgreifende Änderungen ist?
Tatsache ist: in allen deutschen Bistümern sind die Mitgliederzahlen zeitweise dramatisch „abgestürzt“. In Mainz, etwa, von fast 1 Million in 1980 auf gerade 720.000 in 2018. In Würzburg sank sie von fast 1 Million in 1970 auf 735.000 in 2018. Fulda hatte 1970 noch über 700.000 Mitglieder, in 2018 aber nur noch 382.000.
Die Anekdote, die Msgr. Michael Dörnemann, der Leiter der Essener Seelsorge, vom Wiener Kardinal Schönborn berichtet – Sie sind aus Essen? Was Sie bereits hinter sich haben, haben wir noch alle vor uns – klingt nicht gerade sehr sachkundig. An dieser Stelle sollten sich am besten gar keine Theologen äußern, sondern eine Fachkraft für Statistik wäre sicher besser am Platze. Auch ob der Strukturwandel im Ruhrgebiet (Abkehr von Kohle und Stahl) wirklich diese „massiven Auswirkungen“ gehabt hat, bleibt zu fragen.
Wirtschaftlich hält sich Essen ganz achtbar. Addiert man nämlich alle Jahresüberschüsse, die Essen seit 2011 publiziert hat, so liegt es mit einer Summe von 129 Mio. € an fünfzehnter Stelle, jedoch wieder vor Eichstätt, Fulda, Würzburg, Mainz und sogar Trier. Wenn also jemand Angst vor der Zukunft haben zu müssen glaubt, dann eher dort. Eines ist allerdings wohl richtig, dass Essen nämlich recht wenige Einkünfte aus Grundbesitz, Immobilien und Finanzanlagen hat und damit fast völlig von der Kirchensteuer abhängt. Sollte diese wieder einmal stark einbrechen, etwa nach einer Blase wie zuletzt 2005 oder 2008 (Essen hatte damals ein traumatisches Verlustjahr) oder wegen staatlicher Tarifänderungen, dann wird es Druck geben. Aber auch das wird andere betreffen. Auch diese Vergleiche sollten besser nicht Theologen machen, sondern Andere.
Wenn man die Preissteigerung herausrechnet, dann stagniert Essen aber oder geht sogar zurück, sagen hochrangige Bistumsvertreter ebenfalls oft. Aber auch das ist fast laienhafter Unsinn, denn zum Einen geht es den anderen Bistümern ja genauso, zum Anderen stagnieren oder sinken dann auch die Ausgaben, aus denen man die Steigerungsrate dann natürlich auch herausrechnen muss. Soviel also zu dem Thema, wo Essen gerade „steht“.
Riesige Veränderungen
Dann schwenkt der Artikel so langsam auf sein Thema ein. Von „riesigen Veränderungen“ spricht Dörnemann, die noch nicht beendet sind, und er meint, dass auch andere Diözesen auf diesem Weg sind. Dass er nicht weiß, wie die Kirche in 20 oder 30 Jahren aussieht, nimmt man ihm gerne ab. Wer von uns hätte 1989 gewusst, wie die Welt oder die Kirche heute aussehen?
Im vergangenen Jahr hatte sich allerdings überraschend für eifrige Reformer der Papst zu Wort gemeldet und – sicher auch gerade mit Sorge über Entwicklungen in Deutschland – eine Instruktion zu Gemeindereformen verbreitet. Zu diesen klaren Worten aus Rom haben wir ausführlich Position bezogen und erneut im vorigen Jahr zu Weihnachten.
„Für die Entscheidung über die Profanierung (sind) der diözesane Klerikermangel, die Abnahme der Bevölkerung und die schwerwiegende finanzielle Krise der Diözese keine legitimen Gründe“,
sagt das Lehrschreiben, welches im Übrigen nur an geltende Bestimmungen des kanonischen Rechts erinnert.
Das fand der Bischof unbequem, der das kirchliche Leben „nicht mehr nach den Mustern der bisher bekannten Volkskirche“ gestalten kann, jedenfalls nicht in Deutschland, wie wir im Artikel nachlesen und ja auch schon öfter gehört haben. Dass das Bistum seinen Reformkurs „unbeeindruckt fortsetzt“, findet die Tagespost offenbar in Ordnung, die ja sonst in der Regel päpstliche Vorgaben immer sehr genau nimmt. Etwas tiefer hätte der Artikel die Positionen schon abwägen können.
Man wird sicher in einem späteren Artikel der Serie vom Bistum Trier erfahren, wo Rom Anfang 2020 eine noch gewaltsamere Fusion von fast 900 auf gut 35 Pfarreien gestoppt hat. Der Papst „meint“ also, was er sagt, bzw. seine Behörden.
Der Artikel fasst dann hier und etwas später die erste Stufe der Veränderungsprozesse zusammen. Später wird Dörnemann es ein „Dropdown-Verfahren“ nennen. Seit 2005 wurden 259 ehemals selbständige Pfarreien, welche 262 Kirchen hatten, zu 42 neuen Großpfarreien fusioniert, vorerst ohne wesentliche Kirchenschließungen, denn die 262 Kirchen gibt es heute noch, bis auf einige, deren Profanierung inzwischen (aus guten Gründen) erfolgte . Das geschah durch Dekrete des damaligen Bischofs Felix Genn, heute in Münster. Dadurch sind – es sei ergänzt – die größten Pfarreien Deutschlands entstanden, die größte davon St. Urbanus in Gelsenkirchen mit 34.000 Mitgliedern und sage und schreibe 11 Kirchen. Die zwanzig größten Pfarreien Deutschlands dürften alle im Bistum Essen liegen. Deren kleinste hat immerhin noch 19.000 Mitglieder und sechs Kirchen.
Das als solches war, anders als der Artikel sagt, noch nicht „Verlust von Heimat“, denn es wurden ja „nur“ Verwaltungen und Gremien reduziert. Gut, man war jetzt nur noch „Teil einer viel größeren Einheit“, aber dass sich Seelsorgeschwerpunkte in einigen (wenigen) Fällen änderten, war bestimmt nicht der Grund, dass man nicht mehr in seine gewohnte Kirche „durfte“, wie eine ungenannte ältere Dame dem Artikel verrät. Der Aspekt des Heimatverlustes ist sehr ernst zu nehmen, müsste allerdings in einem eigenen Kontext diskutiert werden.
Wirkliche Einsparungen hat das Bistum zu diesem Zeitpunkt aber nicht zu Wege gebracht. Noch heute gibt es keine einfachen, einheitlichen Muster für Architektenverträge (wie in Münster), keine zentralen Handwerkerdienste, zentrale Winter- und Reinigungsdienste, attraktive Versicherungsrabatte und so weiter. Es gibt auch keine öffentliche Datenbank, in der sich aktive Gemeindemitglieder detailliert über den Zustand ihrer Gebäude informieren könnten.
Das Essener Modell
Bis jetzt sieht alles noch ganz harmlos aus. Nun aber soll die zweite Stufe kommen, die laut Dörnemann nur noch 80 bis 90 Kirchen übrig lässt. Dafür hat das Bistum einen Namen erfunden, der sich Pfarreientwicklungsprozess nennt und im Bistum mit PEP abgekürzt wird. Im Klartext bedeutet dieses von mir hier „Essener Modell“ genannte Konzept, dass jede der noch vorhandenen 42 (Groß-)Pfarreien nicht mehr gut 6 Kirchen, wie bisher, haben soll, sondern auf gut 2 Kirchen zurückgefahren werden soll. Von 262 Kirchen auf 80 bis 90. Dörnemann kann sich auch vorstellen, dass dafür auch nicht mehr 42 Pfarreien nötig sind, sondern vielleicht nur 20 oder sogar nur 10.
Warum nicht XXL-Diözesen?
Dörnemann sollte vorsichtig sein, denn ein so „schlankes“ Bistum braucht selbst vielleicht gar keinen Bischof mehr und könnte ohne Weiteres wieder von Münster, etwa, verwaltet werden. Viele Gläubige fordern – im Ernst – genau diese Art von Einsparung, die noch viel wirksamer als die Aufgabe von Kirchen wäre. Sind die Bischöfe laut Jesus nicht die Diener der geringsten der Brüder?
Der Autor, Heinrich Wullhorst, schrieb dazu einmal sehr treffend in seinem Buch Leuchtturm oder Kerzenstummel folgendes:
„Dennoch bleibt der Blick dabei zumeist innerhalb der bestehenden Struktur, anstatt ihn zu weiten, wie die Bischöfe dies doch ansonsten bei ihren viel gepriesenen großen pastoralen Räumen von anderen verlangen. Wenn diese größeren Einheiten doch so effektiv sind, warum denken unsere Oberhirten dann nicht einmal laut darüber nach, ähnliche Modelle auch für die Bistümer zu erwägen und aus 27 Diözesen vielleicht nur noch sieben zu machen? Wenn XXL-Gemeinden die zehnfache Größe von mittleren Einzelgemeinden haben, warum kann dann nicht ein Bistum wie Essen mit etwa 750.000 Katholiken Teil einer XXL-Diözese mit etwa 7,5 Millionen sogenannten Seelen werden, was in etwa der Vereinigung aller NRW-Bistümer entsprechen würde? Allerdings kommt hier offenbar niemand auf die Idee, dass eine solche Einheit besonders schlagkräftig wäre. Da möchte dann selbst das kleinste Bistum gerne überleben.“
Dem braucht man nichts hinzuzufügen. Immer mehr kritische Katholiken sehen dies aber genauso. Das Wasser predigen und den Wein trinken…
Das Bistum schwieg bisher
Neue Strategie
Da die Fusionen von 2005 schon für erheblichen Unmut gesorgt hatten, hat das Bistum sein Verfahren verändert. Nun sollten die Pfarreien selbst dazu gebracht werden, die Anzahl ihrer Gebäude in den vom Bistum gewünschten Rahmen zu beschließen.
„Ich selbst werde als Bischof keine einzige Kirche schließen“,
so sagte Bischof Overbeck vor Jahren (angeblich) im Priesterrat und bei anderen Gelegenheiten.
Das aber – und hier muss man der Tagespost ganz deutlich beipflichten – hat lediglich den „Schwarzen Peter“ von Bischof und Bistum an die Pfarreien übertragen, was, laut Dörnemann, sicher nicht für höhere Akzeptanz sorgt. Aber, was ist die übliche Weisheit? –
„Man kann bei solchen Prozessen ohnehin nicht alle Beteiligten mitnehmen“.
der Trick des Bistums
Im Rahmen des oben genannten PEP bekamen die Pfarreien ab 2015 die ehrenvolle Aufgabe, zunächst unter Einbeziehung von bis zu 2.000 ehrenamtlichen Mitarbeitern in zahllosen Arbeitsgruppen pastorale Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Nicht einfach nur ein simpler „Pastoralplan“, wie man ihn aus der Vergangenheit kannte, sollte es werden, nein, ein richtig „großer Wurf“ war erbeten. Das war im Prinzip gut, sogar sehr gut, so dass evangelische Seelsorger ganz neidisch wurden ob solch großen plötzlichen Engagements bei ihren katholischen Nachbarn.
Sehen – Urteilen – Handeln, so lautete die Vorgabe des PEP. Im Prinzip sollte auch alles offen und demokratisch ablaufen. Denn wir als Christen sind ja alle würdig und mündig als Getaufte. Bis Anfang 2018 war Zeit eingeräumt und dann sollten die beschließenden Gremien jeder Pfarrei in einem gemeinsamen Votum beschließen, was man als Plan dem Bischof vorlegen wollte und dieser dann genehmigen sollte.
Der Auftrag an die Arbeitsgruppen enthielt auch einen Teil, der ganz „unschuldig“ lautete:
eine der Arbeitsgruppen sollte sich auch mit den „Zahlen“ beschäftigen und herausfinden, welche von den pastoralen Zielen sich die Pfarrei tatsächlich „leisten“ könnte.
Hier ging es also um Geld: wie sah der Haushalt der Pfarrei in der Vergangenheit aus, wie würde er sich entwickeln? Da hier auch unvermeidlich Personalkosten zu diskutieren waren, wurde die Gruppe Zahlen-Daten-Fakten in der Regel schnell für „vertraulich“ erklärt und alles Weitere wurde folglich hinter verschlossenen Türen diskutiert.
Dem Bistum ging es in dieser Phase überhaupt nicht um Personalabbau. Die eigentlich „vergiftete Pille“ waren die zukünftigen Kosten für den Erhalt der pastoralen Gebäude, in der Hauptsache der Kirchen.
Früher, als jede Pfarrei nur ihre einzige eigene Kirche hatte, hätte diese Frage niemals zur Diskussion stehen können. Jetzt aber nach dem ersten Teil der Essener Reformen unter Genn besaß jede Pfarrei ja im Durchschnitt 6,2 Kirchen. Da alle außer der Pfarrkirche nach kanonischem Recht nicht unbedingt nötig sind, ergaben sich plötzlich neue Gedankenspiele.
Wie könnte man die Pfarreien motivieren – so die Frage, die sich Bistum bzw. Unternehmensberatung stellen musste – auf möglichst viele Kirchen „freiwillig“ zu verzichten?
Pastorale Kriterien unerwünscht
Wollte man etwa nachsehen, in welchen Kirchen ein pastoral guter Nährboden vorhanden war? Wo engagierte Gläubige für ein gutes Gemeindeleben sorgten? Wo vielleicht noch bei allen „Ermüdungen“, die ja letzten Endes im Durchschnitt überall im Bistum zu beobachten waren, immerhin noch so viel „Glut unter der Asche“ vorhanden war, dass man nur sehr wenig „anfachen“ musste?
Wollte man den Gemeinden vielleicht „rote Linien“ vorgeben, bei deren Unterschreiten jedem hätte klar werden müssen, dass damit die Existenz gefährdet wäre?
Nein – das alles sollte keine Rolle spielen!
Wollte man die Gemeinden etwa befragen, ob sie sich selbst vielleicht schon für „erschöpft“ hielten? Ob noch genügend Ehrenamtliche zu finden wären, um mit Mut in die Zukunft zu sehen? Ob sie nicht selbst vielleicht die Existenz ihrer Kirche noch rechtfertigen könnten?
Nein – keine Rolle sollte das spielen.
Freundliche Warnung
Vorsicht – liebe Leser! Ab jetzt geht es auch in diesem Beitrag vonehmlich um Eines, um Geld, um rein wirtschaftliche Argumente. Das soll keine „Drohung“ sein, Sie nicht abschrecken. Aber es wird von Vielen nicht mehr als so „kirchlich“ empfunden und viele schalten ab mit der Begründung „Da kenne ich mich nicht aus“. Versprochen – so schwierig wird es nicht. Halten Sie durch! Wir schaffen das!
Nicht nur das Bistum hatte seit 2011 gelernt, die alte kameralistische Buchführung aufzugeben und auf die in der Privatwirtschaft übliche sog. Doppelte Buchführung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) umzustellen. Das Bistum war unter dem Druck der Presse bereit, seine Bilanz sowie die damit verbundene Gewinn- und Verlustrechnung von einer neutralen Gesellschaft prüfen zu lassen und dann zu veröffentlichen wie jede AG und jede GmbH das ja auch tut.
Dabei musste natürlich auffallen, dass seit 1950, als die Kirchensteuer nicht mehr direkt den Pfarreien zuging, sondern gemäß Bischofsdekret zentral an das Bistum, auch die Verantwortung für die Besoldung der Pfarrer und den Erhalt der Kirchen auf das Bistum überging. Die Besoldung war nicht das Problem. Sie ist im Voraus genau zu berechnen. Auch die laufenden Kosten für die Kirchen (und alle anderen pastoralen Gebäude) wie Reinigung, Heizung, Blumenschmuck, Versicherung, Winterdienst etc. liegen innerhalb gewisser Grenzen ziemlich fest. Mit diesen Postionen hat eine doppelte Buchhaltung überhaupt kein Problem.
Das eigentliche Problem sind die nahezu unplanbaren Kosten für Renovierungsarbeiten an Dach, Bausubstanz, Heizung etc. welche an Gebäuden, die vielleicht 120 Jahre und älter sind, wie so viele Kirchen im Bistum, zwangsläufig auftreten, aber meistens immer überraschend. Dafür würde ein privates Wirtschaftsunternehmen und jeder Privathaushalt Rückstellungen bilden, d.h. Gelder beizeiten „auf die hohe Kante“ legen, so dass man dann im Bedarfsfalle damit arbeiten kann. Das Bistum verwendet diesen in der Wirtschaft üblichen Begriff allerdings nicht, sondern spricht durchweg von zweckgebundenen Rücklagen, meint aber dasselbe damit.
Die Frage ist, wie hoch diese Rücklagen sein müssen: man weiß es jedoch nicht, wieviel das Bistum in zwanzig, dreißig, fünfzig, hundert Jahren brauchen würde. Für alle Pfarreien, wohlgemerkt.
In der kameralistischen Rechnung war das schlichtweg „egal“. Man hat nie solche Rücklagen gebildet. Wenn etwas kaputt ging und größere Beträge notwendig wurden, mussten diese dem laufenden Haushalt, also im Prinzip den Einnahmen aus der Kirchensteuer des jeweils laufenden Jahres entnommen werden. Und das funktionierte auch immer. Seit 1950. In allen deutschen Bistümern. Notfalls wurden Baumaßnahmen über zwei bis drei Jahre verteilt, auch war es üblich, die Pfarreien „angemessen“ an der Finanzierung zu beteiligen, was meistens Verhandlungssache war. Diese Arbeitsweise nennt man das Umlageverfahren, nach dem auch unsere Deutsche Rentenversicherung funktioniert, eine der besten deutschen Erfindungen des 19ten Jahrhunderts, welche so robust war, dass sie immerhin drei Geldentwertungen bzw. Währungsumstellungen ziemlich gut überstehen konnte.
Kirche ist langfristig. Da ist etwas anderes als das Umlageverfahren eigentlich gar nicht sinnvoll. Das konkurrierende Verfahren ist das kapitalgedeckte Rücklageverfahren, mit dem man die später benötigten Beträge „anspart“ und an einem „sicheren Ort“ ertragreich anlegt. Solche wirklich sicheren Ort gibt es in wirtschaftlich bewegten Zeiten, gerade auch in der heutigen Zeit, mit Sicherheit nicht. Geld „arbeitet“ schon lange nicht mehr von alleine, sondern kostet allenfalls Strafzinsen oder geht ganz verloren. Wer etwas anderes behauptet, muss schon sehr viel Vertrauen in Bank- und Vermögensmanager haben. Zehn Jahre: kein Problem. Zwanzig: wird schon kritisch. Dreißig oder fünfzig: definitiv nein.
Das Bistum Essen hat sich aber anders entschieden. Es hat diese Entscheidung aber niemals im Vorfeld zur Diskussion gestellt und mit Experten das Für und Wider beraten. Jedenfalls nicht öffentlich. Den Pfarreien, die nun ihr Votum für den PEP ausarbeiten mussten, war das alles nicht bekannt. Sie sahen sich nur in den Exceltabellen, welche die sog. Szenarios darstellten, vor eine ganz neue Anforderung gestellt, die es in den Jahren zuvor nie gegeben hatte.
Das Bistum verlangte, dass die Pfarrei für jedes langfristig zu erhaltende Gebäude (A-Gebäude) einen bestimmten Betrag in 5stelliger Höhe als zweckgebundene Rücklage in seine Bilanz zu stellen habe. Für Kirchen lagen diese im Bereich 19.000 bis 43.000 Euro je nach Größe und Alter der Kirche. Für andere Gebäude 0,7% der Herstellkosten. Eine durchschnittliche Pfarrei im Bistum hat im Schnitt 18.200 Mitglieder und 6,2 Kirchen und muss auf diese Weise 175.000 bis 250.000 Euro aufbringen. Woher sollte sie dieses Geld nehmen? Alle Haushalte der vergangenen Jahre waren immer bestenfalls ausgeglichen gewesen, nie gab es nennenswerte Überschüsse, Rücklagenbildung war weder in der Vergangenheit möglich gewesen, noch würde dies in Zukunft möglich sein.
Da hatte das Bistum eine Idee – oder war es die Unternehmensberatung? Das fehlende Geld müsste vom Bistum selbst kommen. Zusätzlich zu der jedes Jahr vom Bistum zugeteilten Zuweisung aus der Kirchensteuer, die im Prinzip nach der Anzahl der Gemeindemitglieder gewährt wird, erfand das Bistum eine völlig neue Zuweisung zur Mitfinanzierung der Instandhaltung. Für diese legte das Bistum jedoch bistumsweit einen Deckel fest, der so eng bemessen war, dass er nicht für ALLE Gebäude (Kirchen) ausreichte, sondern im Prinzip gerade einmal für ein Drittel. Dieses Prinzip erklärten die „Moderatoren“, welche das Bistum für den PEP in die Pfarreien entsandt hatte, den verblüfften Kirchenvorständen und stellte sie vor die Aufgabe, die Konsequenzen zu ziehen und zu beschließen.
Die Konsequenz war aber klar: die Gebäude, für welche eine Pfarrei keine langfristige Finanzierung in Form der notwendigen zweckgebundenen Rücklagen mehr erzielen konnte, mussten als pastoral nicht mehr notwendig bezeichnet werden. Für sie ergab sich die Aufgabe, ihre Finanzierung entweder anderweitig durch Dritte zu regeln (Fördervereine) oder sie nach und nach still zu legen und am Ende zu veräußern.
Der große Skandal war, dass die Logik des Bistums niemals transparent dargestellt wurde und diejenigen (wenigen) Kirchenvorstände, welche sie durchschaut hatten, einfach nicht mutig genug waren, offen dagegen zu protestieren und zum Wohle ihrer Gemeindemitglieder gegen das Bistum zu kämpfen.
Statt dessen wurden in gemeinsamen Sitzungen von Kirchenvorständen (KV) und Pfarrgemeinderäten (PGR) eine Liste von A-Gebäuden verabschiedet, die zwar nicht im Detail, aber in der Summe, dem Bistum genehm war, diese dann als verbindliches Votum der gesamten Pfarrei beschlossen und hinterher der staunenden und schockierten Gemeinde in der öffentlichen Pfarrversammlung verkündet.
Der Fairness halber: es gab Pfarreien, welche die verschlossenen Türen schon vorher etwas öffneten und schon vorher gewisse Szenarien der Einsparungen erkennen ließen. Aber es gab genauso solche, bei denen die öffentliche Pfarrversammlung tatsächlich erstmals das Votum zur Kenntnis nehmen musste.
Fakt ist: die unterliegende buchhalterische „Mechanik“ ist vom Bistum niemals öffentlich und transparent dargelegt worden.
In keinem Votum wurden diese Zusammenhänge und Gründe klar und offen dargelegt.
Das ist der Skandal, der bis heute anhält.
St. Lambertus Essen-Rellinghausen
Diese Pfarrei ist die einzige von 42 Pfarreien im Bistum, welche in ihrem Votum den Wünschen des Bistums nicht gefolgt ist. Sie hat über 20.000 Mitglieder und besteht aus vier sehr starken Gemeindekirchen plus einer Filialkirche. Sie liegt südlich der Essener Innenstadt. Die Pfarrkirche in Rellinghausen ist einer der historischsten Orte des Bistums.
Die Pfarrei geht davon aus, mit den geplanten Einsparungen an anderer Stelle alle vier Gemeindekirchen als A-Kirchen halten zu können. Ihre Filialkirche soll zwar mit ihrer Kita abgerissen werden, aber als Teil eines Kita-Neubaus wieder neu entstehen.
Das finde ich selbstbewusst.
Das Votum macht eine sorgfältige Bestandsaufnahme und plant sinnvolle Schritte in die Zukunft, verzichtet aber auf jegliche Zahlenspiele und verweigert sich der Idee, für den Bauerhalt den Haushalt durch Rücklagen ins Minus bringen zu lassen.
Das Einzige was wirklich fehlt, ist eine klare Beschreibung der oben dargestellten Zusammenhänge. Den Autoren des Votums können sie nicht verborgen geblieben sein.
Trotzdem – Respekt und Achtung nach St. Lambertus! Wenn doch nur mehr Pfarreien ähnlich gearbeitet hätten!
Wie kommt die Kuh vom Eis?
Wir haben nach Anhörung von Diskussionen in Gemeinden eine Anzahl von Alternativmodellen formuliert.
QUELLEN:
Voten: Alle 42 Voten unserer Pfarreien sind im originalen Wortlaut über diesen Link zu erreichen. Ihre Lektüre erfordert eine gewisse Anstrengung, ist aber unvermeidbar, wenn man eine eigenständige Meinung bilden will, die von keiner Autorität beeinflusst ist.
Vorgaben: PFARREIPROZESSE Vom pastoralen Konzept zum Votum. Hier vor allem die Seiten 9 und 10. Die Pfarreien hatten Einführungsveranstaltungen, die nicht weiter dokumentiert sind. Sie wurden laufend durch Beauftragte des Bistums beraten.
In Arbeit…
Nix Neues! „Erhaltet St. Schrotti“.
Der Hochaltar des Allerheiligsten St. Backstein muss bleiben! Gell?
Bei den Statistiken: warum nicht ab 1960?
Und wieviel Neupriester hat eine Gemeinde hervorgebracht?
Ich empfinde diese Überschrift als „Schlag ins Gesicht“ für viele Christen im Ruhrbistum! Hier wird mit den Gefühlen der Menschen gespielt! Über Gemeinsamkeiten wird immer gern geredet, sie möchte im Bistum Essen im Grunde aber keiner haben.
Monsignore Dörnemann spricht es klar aus: „Ob sich durch dieses Verfahren eine höhere Akzeptanz der Massnahmen erreichen lässt, halte ich für fraglich“. Und weiter, man könne bei solchen schmerzlichen Prozessen nicht alle Beteiligten mitnehmen.
Diesen Satz habe ich auch im Zwischenbericht unserer Pfarre an den Bischof wiedergefunden. Wie soll denn „Gemeinsamkeit“ entstehen, wenn man drei von fünf Gemeinden alles wegnimmt, einer viertes viel und einer fünften gar nichts?
Papst Franziskus hat in seinem Schreiben im Juli 2020 festgestellt, dass es keine Sieger und Verlierer geben darf. Aber genau den „Kardinalfehler“ begeht zurzeit das Bistum in Essen.
Die Mitglieder der Gremien „beschützen“ Ihre Gemeinde, erst dann kommt der Rest!
Nicht alle Beteiligten mitnehmen: Mir fielen sofort zwei Dinge dazu ein.
1. Das Gleichnis vom „verlorenen Schaf“.
2. Die Bemühungen der Kongregation für den Klerus, eine Lösung für die Weltkirche zu finden.
Gleich zwei Evangelisten beschäftigen sich mit diesem Gleichnis. Lukas und Matthäus. Während Lukas die Freude über die Umkehr des Sünders betont, die grösser sei als jene über neunundneunzig Gerechte, die nicht umzukehren brauchen, erklärt Matthäus das Gleichnis als Ausdruck für den Willen des himmlischen Vaters, dass kein einziger der „Kleinen“ verloren gehe.
Die Schafe haben einen Hirten. Und idealerweise sollte er ein guter Hirte sein, der sich um jedes Schaf sorgt.
Papst Franziskus hat den synodalen Weg an sich gezogen. Er wünscht sich von seinen Brüdern im Bischofsamt die Kraft des Zuhörens. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kongregation für den Klerus von Msgr. Dörnemanns Aussage und von einigen anderen in diesem Bericht begeistert ist.
Bei der letzten Bischofskonferenz hat der Nuntius des Vatikans in Deutschland, eindeutig vor einem Schisma gewarnt. Die Aussagen von Msgr. Dörnemann werden diese Warnungen nicht gerade entkräften! Ausserdem hat diese Kongregation im letzten Jahr eindeutig zu Kirchenschliessungen Stellung bezogen!
Die Schliessung von Kirchen ist möglich, aber nur im Einzelfall, und bei Gefahr für Leib und Leben. Ansonsten wacht die Kongregation über den Erhalt der Kirchen. (Quelle: Der Heilige Stuhl)
Das, was im Namen des Bischofs von Essen passiert, ist einfach und schlicht: Illegal und Gesetzeswidrig!
Verkaufen Sie Kaplaneien, Wohnungen, Pfarrhäuser, andere Immobilien. Aber keine Kirchen!
Wer keine andere Lösung sieht als Schliessungen durchzuführen, ist auf dem falschen Weg!
Kehren Sie um!