Anders Kirche sein: Baustelle Transparenz

Die Entwicklung bei uns im Bistum Essen geht weiter. Die deutschen Bischöfe haben einen neuen Vorsitzenden. Er will Brücken bauen, nicht spalten; aber es soll trotzdem „voran“ gehen. Wünschen wir ihm viel Glück und Erfolg bei dieser schwierigen Aufgabe. Der synodale Prozess ist unter­wegs. Der Papst kämpft für eine glaub­würdige Kirche weltweit.

Man weiß schon kaum noch, was man alles verfolgen soll (und kann).

Kürzlich erschien ein langer Leserbrief in der im Bistum Essen erscheinenden unabhängigen Wochenzeitung Neues Ruhrwort. Darin äußert sich Pastor i. R. Walter Bauer aus Bochum-Altenbochum zu einer Frage, die ihm sehr am Herzen liegt: Der unterschätzte kleine Missbrauch.

Bevor der Titel unnötig Irritation auslöst, sei deutlich gesagt, dass jeder Bezug zu sexuellen und anderen strafrechtlich verfolgbaren Tatbeständen ausdrücklich ausgeschlossen ist. Pastor Bauer bewegt der „Rückzug vieler Christen aus der Mitte unserer Gemeinden“ und er beklagt, dass „die Kirche es sich nicht leisten kann, Menschen zu verlieren, die sie dringend braucht, um die Zukunft zu gestalten.“

Die Institution ist nicht offen genug für „umfassende Information über alle relevanten Entwicklungen, Planungen und Grundlagen“. Er mahnt, dass „sachliche Begründungen Recht und Pflicht aller Beteiligten“ sind.

Vielleicht trifft der Beitrag ja auch auf Ihre Zustimmung und ein Kommentar von Ihnen unten auf der Seite wäre eine ganz gute Idee. Lässt sich das Anliegen von Pastor Bauer auch bei Ihnen in der Gemeinde wahrnehmen?

Gut – ein Pastor i. R. hat es vielleicht leichter, sich mutig zu äußern, als ein aktiver Pfarrer. Aber sehr bedenkenswert sind solche offenen Worte vom Klerus schon.

Wenngleich Pastor Bauer vielleicht mehr den pastoralen Bereich meint, lohnt es, ihn auch einmal für den finanziellen Bereich beim Wort zu nehmen.

übersehene Baustelle

Was weiß denn das Gemeindemitglied über das Geld in seiner Pfarrei?

NICHTS.

Vorab: ich kritisiere hiermit nicht die ehrenamtlichen KV-Mitglieder, welche diese Dinge gar nicht zu entscheiden haben. Sie tun im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen wirklich guten Job und wir sind ihnen allen zu großem Dank verpflichtet. Sie wollen uns mit ziemlicher Sicherheit nichts verheimlichen oder verschleiern. Die Entscheidungsträger sitzen weiter „oben“. Von der Kritik ausnehmen will ich – obwohl es schwerer fällt – auch die Verwaltungs­leiter/innen und Pfarrer. Aber sie könnten mehr bewegen, wenn sie es denn einfach versuchten.

Ich wage einfach einmal die These:

„Niemand“ weiß:

  • wie hoch die Einnahmen und Ausgaben seiner Pfarrei im Jahr sind,
  • wieviel der „Betrieb“ seiner Kirche kostet,
  • wieviel man eigentlich am Sonntag in die Kollekte geben müsste, damit wenigstens die Kosten für diesen Gottesdienst getragen werden,
  • welche Summen für Instandhaltung in den nächsten Jahren auf einen zukommen,
  • über welches Gesamtvermögen seine Pfarrei verfügt, ob sie also „arm“ ist oder vergleichsweise „gut“ dasteht.

Niemand ist in der Lage, den Blick über den Zaun zu tun und eine andere Pfarrei zum Vergleich heran zu ziehen.

Transparenz – unbekannt. Aber bitter nötig.

Trauerspiel: Haushaltspläne

Bei uns in der Pfarrei lag der „kirchen­amtlich genehmigte“ Haushaltsplan 2020 letzte Woche und in der vor-vorigen Woche zur Einsicht aus. Zwei Wochen lang – wie jedes Frühjahr. Wohlgemerkt: der Haushaltsplan, also die erwarteten Einnahmen und Ausgaben des Jahres, nicht die Bilanz des Vorjahres. Auch kein Jahresbericht. Auch nicht die Ist-Zahlen des vorigen Jahres. Auch keine Vergleichszahlen zum vorigen Jahr. Wer also sehen will, wo es mehr oder weniger wurde, hat keine Chance.

Wann wurde ausgelegt – Sonntags? – nein. Nach den Gottesdiensten? – nein! Nicht doch! An vier Tagen in der Woche zu den Bürozeiten des Pfarrbüros am Vormittag (9-12) und einmal am Nachmittag (15-17). Das Gesetz spricht von „ortsüblicher Bekanntmachung“. Sehr arbeit­nehmer­freundlich! – Ironie. Zur Erinnerung: Arbeitnehmer sind die Menschen, die einem Beruf nachgehen und den Großteil unserer Kirchensteuern aufbringen!

Auf die Auslage wurde in einem schwer lesbaren Fünfzeiler im vier­wöchigen Mitteilungs­blatt hingewiesen. Werbung dafür – nein. Es kommt ja doch keiner, so die halb-offizielle Begründung für das Vorgehen. Wollten wir nicht irgendwie „einladende Kirche“ sein, wie es in wirklich jedem PEP-Votum heißt?

Wer wird daraus schlau?

Und dann die Unterlagen selbst. Lauter Ausdrucke aus dem EDV-System. Diese hätte man doch ohne Weiteres auch in einer Pdf-Datei ausgeben und auf die Homepage der Pfarrei stellen können! Keine einzige individuelle Erläuterung dabei! Zu hoch der Aufwand dafür – hieß es einmal zur Begründung aus dem KV. Wenn eine Person im Bistum sich ein Mal hinsetzte und die vermutlich völlig gleichlautenden Haushaltspläne im gesamten Bistum einmal verständlich erläutern würde, so hätte man jedes Jahr etwas davon!

Bitte lesen Sie weiter – es wird aber jetzt stellenweise etwas schwierig. Aber das zeigt ja gerade deutlich auf, wo das Problem liegt.

Zum Beispiel erfährt der Leser auf der ersten Seite, dass „Erträge aus Zuwendungen und Kostenerstattungen“ in Höhe X vorliegen. Aber wer wendet hier etwas zu oder wer erstattet welche Kosten? – Keine Ahnung. Der größte Posten bei den Erträgen hätte doch eine Erläuterung verdient, oder? Die zweitgrößte Ertragsposition ist „Verwaltungswirtschaftliche Erträge. Erträge aus Gebühren und Entgelten.“ Womit  „verdient“ die Verwaltung dieses Geld? Welche Gebühren und Entgelte zahlt hier jemand? Die „Erträge aus Spenden und Kollekten“ sind die einzigen, die man sich vorstellen kann. Aber bei den durchaus noch nennenswerten „Sonstigen Erträgen“ in immerhin 5-stelliger Höhe, setzt die Phantasie wieder aus.

Was soll dass?

Noch schlimmer wird es, wenn man ins Detail einsteigt. Hinter den Erträgen aus Zuwendungen und Kostenerstattungen vermutet man ja die Schlüssel­zuweisungen aus dem Bistum.

Folgende Beobachtung am Rande: Die Homepage des Bistums kennt diesen wirklich zentralen Begriff der Pfarreien­finanzierung, gesucht über die Suchfunktion auf der Startseite, nur in einem einsamen Beitrag: hier. Hier wird er aber nicht einmal erklärt, geschweige denn, dargestellt wie er berechnet wird. Im Kirchlichen Amtsblatt wird man jedoch im Jahre 2016 in folgender Richtlinie fündig.

Ich habe den Betrag für unsere Pfarrei berechnet. Hier ist ein Beispiel für eine durchschnittliche Pfarrei. Auf meiner Seite „Zuwei­sungen aus dem Bistum“ im von mir studierten Haushalt steht aber ein ganz anderer Betrag als ich errechnet habe. Auch ob es sich wirklich um die Schlüssel­zuweisungen handelt, oder ob andere Zuweisungen darin enthalten sind, ist nicht ersichtlich.

Somit könnten auch Kostenerstattungen in dem Betrag erhalten sein. Wofür jedoch und von wem hier Kosten erstattet werden, wird mit keinem Wort angedeutet.

Welche Zuwendungen (Zuweisungen) aus dem Bistum könnte es sonst noch geben? Hier ist als erstes der Solidarbeitrag zu nennen, der eingeführt wurde, um die historisch begründete Vermögenssituation der Kirchengemeinden angemessen zu berücksichtigen. Seine Berechnung ist – gelinde gesagt – SEHR kompliziert und wird vom Generalvikariat vorgenommen und vorab von der Schlüsselzuweisung abgezogen oder hinzugefügt. So steht es in obiger Richtlinie. Das könnte ein Grund sein, warum abweichende Beträge zu finden sind. Aber warum wird der Solidarbeitrag im Haushalt nicht offen ausgewiesen, so dass die Schlüssel­zuweisung nach der öffentlich bekannt gemachten Formel nachvollziehbar wird?

Gibt es weitere Zuweisungen aus dem Bistum? – Während des PEP war eine  Mitfinanzierung der Instandhaltung“ durch das Bistum  angekündigt, damit die Pfarrei zweckgebundene Rücklagen für den Bauunterhalt von A-Gebäuden vornehmen kann. Dies wurde in Arbeitshilfe-Votum-Pfarreiprozesse auf den Seiten 9 und 10 beschrieben. Ob dies jedoch schon „geltendes Recht“ ist, ist unklar, denn es findet sich im Kirchlichen Amtsblatt bisher keine Richtlinie dazu. In dem obigen Beispiel sieht man auch, wie diese Mitfinanzierung berechnet würde.

Am Ende ergibt sich in meiner Pfarrei, ein kleinerer fünfstelliger Fehlbetrag und alle sind erleichtert, dass er „im Rahmen“ bleibt. Aber – ist das denn schon Transparenz?

Ist das mit dem Haushalt bei Ihnen in der Pfarrei auch so? – Bitte schreiben Sie unten einen Kommentar.

Alles nach Recht und Gesetz

Der KV verhält sich völlig konform mit den (sehr alten) Staatsverträgen über die Einrichtung und Pflichten von Kirchengemeinden als Körperschaften öffentlichen Rechts.
Ja – aber dieses „altertümliche“ Vorgehen passt nicht mehr in die Zeit.

Damals, als man die (kameralistische) Buchhaltung noch „mit der Hand“ geführt hat, war es sicher ok.
Aber die zweiwöchige Verpflichtung zur Auslage wurde mit ziemlicher Sicherheit auch an den Sonntagen nach den Gottesdiensten befolgt!

Es ist doch wohl ziemlich überfällig, dass sich dieser Bereich jetzt endlich weiterentwickelt.

Die Bistümer sind schon längst weiter

Die deutschen Bistümer sind da schon weiter. Sie waren und sind bis heute nach wie vor nicht rechtlich verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse zu publizieren.
Darin sind sie eingetragenen Vereinen, Verbänden, Körperschaften, Stiftungen etc. völlig gleichgestellt.

Wenn jedoch die Bistümer nach und nach diesen Schritt dennoch „freiwillig“ getan haben, Essen eines der frühesten seit 2011, Bamberg und andere, sogar Münster, erst seit kurzem, so ist das nicht deren „Einsicht“ zu verdanken, sondern nur auf massiven öffentlichen Druck geschehen, der sich um 2010 in Artikeln des SPIEGEL und der übrigen deutschen Presse mit dringenden Fragen nach dem tatsächlichen Vermögen der Bistümer gebildet hatte.
Ich denke, wir können uns alle noch gut daran erinnern.

Chance vertan

Wenn schon das Bistum Essen seine Pfarreien eigentlich in Allem recht stark reglementiert, so dass es ihnen in in der Haushaltsordnung von 2014 sogar die Pflicht auferlegt, in drei Abteilungen ab 2014, 2015 (meine Pfarrei) und 2016 die Doppelte Buchführung nach HGB zu machen und keine kameralistische Buchhaltung mehr, dann hätte es doch gleich „Nägel mit Köpfen“ machen sollen und auch die Publizitätspflicht im Sinne gleicher Transparenz wie auf Bistums­ebene regeln können.
Das heißt: die Pfarreien hätten publizieren sollen wie „kleine Kapital­gesellschaften“ mit etwas verringertem Aufwand gegenüber den Groß­unternehmen.
Dass das nicht geschehen ist, das und nicht anderes, kommt mir nach wie vor wie „Verheimlichen“ oder „Verschleiern“ vor oder wie auch immer man das nennen möchte. Oder vielleicht „Bewahren der Tradition“?

Das heißt, die „Schuldigen“, wenn dieses Wort angemessen ist, sitzen definitiv „oben“. Dort hat man einfach eine Chance verstreichen lassen.
In der Tat weiß ich nichts über die „Motivation“, die man im Bistum hatte, diesen Weg nicht zu gehen. Ob sie überhaupt bewusst war? Vielleicht war es ja nur die gutgemeinte Absicht, den Pfarreien auf einen Schlag nicht eine zu große Änderung zuzumuten. Sei’s drum.
Pfarreien stellen sich taub

Die Pfarreien verhalten sich also tatsächlich nicht illegal. Sie unternehmen nur keine „freiwilligen“ Anstrengungen, den „Geist der Transparenz“ von sich aus mehr zu fördern.

Gut – das kann man bedauern, wie ich es tue, oder auch nicht, wie die offensichtliche Mehrheit der eher passiven Kirchenmitglieder, die sich durchaus weiterhin im Recht fühlen darf.

Buchhaltung – Nein Danke

Wer eine professionelle doppelte Buchhaltung nach HGB führen will, hat in der Regel relativ teure Mitarbeiter mit Qualifikation zum Bilanzbuchhalter, einem IHK-Abschluss auf Meisterebene. Um zu vermeiden, dass jede Pfarrei solche eigenen Mitarbeiter haben muss, hat das Bistum schon 2012 den sog. Zweck­verband Dienst­leistungs­verbund der Kirchen­gemeinden im Bistum Essen ins Leben gerufen, welcher den Pfarreien diese Aufgabe abnimmt. Hier mehr Info und die neueste Satzung. Der Verbund erstellt nicht nur die Bilanzen für seine Mitglieder, sondern auch eine eigene, die allerdings weder im Amtsblatt noch im Bundesanzeiger veröffentlicht wird, sondern nur vertraulich seinen Mitgliedern zugeht.

Wie das Bistum in seiner Mitteilung schreibt, ist der Dienst­­leistungs­verbund ein eigen­ständiger Rechts­träger in der Rechts­form einer Körper­schaft des öffent­lichen Rechts. Er hat einen Verbands­vorsitzenden (Propst Michael Ludwig, Bochum) und einen Geschäfts­führer (Ulrich Fischer seit 2017). Der Verbund hat seinen Sitz im Kath. Stadthaus Essen (Bernestr. 5), aber keinen eigenen Webauftritt. Er gilt als „ziemlich unbekannt“. Hier seine letzte Ausschreibung.

Haben Sie Fragen an den Dienst­leistungs­verbund? – Hier seine E-Mail Adresse. Oder direkt an Propst Ludwig.

Eine Wende?

Ich bin gespannt, ob und wann sich dieses ggf. ändern wird. Es war ja sehr aufschluss­reich, über wie hohe Vermögen einige Bistümer verfügen. Das wusste vorher niemand. Dass man davon nicht in „Saus und Braus“ leben kann, ist mir auch klar, denn die meisten Vermögens­gegenstände haben gar keinen „Markt“ oder sind so etwas von „betriebs­notwendig“, dass eine Veräußerung völlig undenkbar ist.

Könnte es solche über­raschenden Erkennt­nisse über das Vermögen aber vielleicht auch bei einigen unserer Pfarreien geben? Gespräche mit Kirchen­­vorständen, die ich durchaus hatte, über den Haushalt und Einsicht in den­selben helfen da gar nicht weiter, da in den öffent­lich gezeigten Unterlagen lediglich die Einnahmen und Ausgaben eines Jahres gegen­über­gestellt werden, und diese noch schwer verständlich. – Ist das Transparenz?

Vertraulich kommt eigentlich von Vertrauen. Wer sollte die bisher „geheim“ gehaltenen Zahlen mißbräuchlich verwenden?

Fazit

Hier gibt es eine riesige Baustelle.

Eine Antwort auf „Anders Kirche sein: Baustelle Transparenz“

  1. Dem stimme ich zu. Ansatzweise war da manches während des PEP-Aktivzeitraums zu erfahren. Seither legt sich der Nebel wieder über alles – und Gremien der gremialsten Art auf Pfarrebene tuscheln da vor sich herum.

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