Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat der F.A.Z. am 07.05.2022 ein bemerkenswertes Interview gegeben.
Unter anderem beschreibt er eine verblüffende Beobachtung, die wir bei Kindern im Sandkasten sicher alle schon einmal gemacht haben. Alle spielen schön mit ihren Sachen, eines baut eine schöne Sandburg. Aber da kommt ein anderes Kind und macht die schöne Sandburg kaputt. Einfach so – anscheinend völlig ohne Grund.
Ja, was ist denn das? Ist das „böse“? Oder gehört das einfach mit zum Spiel? Das kann man sicherlich ganz unterschiedlich verstehen. Die Eltern werden das eine Kind ausschimpfen und das andere wohl trösten.
Natürlich kommt es einem unpassend vor, den Einmarsch in ein Nachbarland mit einem Sandkastenspiel zu vergleichen. Und wenn doch, was ist das „Spiel“ und was kann man erlaubterweise hinzurechnen?
Wir haben für alles ja immer Erklärungen bereit. Das eine Kind, dem Unrecht geschah, hat sich vielleicht zu sehr seines Werkes gefreut, sich vielleicht als überlegen verhalten, versucht einem älteren Kind seinen Rang streitig zu machen, hat nicht auf das andere geachtet, das sich ausgeschlossen fühlte. Insofern hat das Kind, das Unrecht beging, ja vielleicht nur wieder für die angemessene Gleichheit oder Ordnung gesorgt. Zumal ja meistens kleinere Kinder, die selbst noch gar keine Sandburgen bauen können, ganz fasziniert zusehen, wenn sie einfach zuhauen und dann etwas einstürzt. Erfahrene Eltern kennen sich damit aus.
Aber egal was da im Zusammenleben zu Konflikten führt, meistens weigern wir uns, das Böse, das zweifellos auch im Menschen steckt, zuzugeben. Gibt es ihn, den Neid auf etwas, das andere haben, aber man selbst nicht haben kann? Gibt es den Drang zu herrschen, der durchaus zu einer Sucht werden kann? Woran erkennt man, was sich gerade anbahnt, gewissermaßen wie ein Sturm zusammenbraut, und wie kann man es wirksam verhindern?
Solche Denkgebilde schienen in der internationalen Politik völlig fehl am Platze zu sein, bekommen jedoch durch die aktuellen Ereignisse eine überraschende Bedeutung.
Robert Habeck hat vorigen Sommer – als er noch nicht Minister war – anscheinend eine vage Ahnung gehabt, was auf die Ukraine zukommen könnte. Seine Forderungen blieben jedoch ungehört. Kretschmann hielt diese für gerechtfertigt, sagte damals jedoch nichts, wie er auf Befragen der F.A.Z. zugab. Das war es, was er sich jetzt nicht verzeihen kann. Andere zwangen Habeck dazu, zurück zu rudern. Damals hielt man das noch für Pazifismus. Er war verlogen, meint Kretschmann.